„Wie das Bauhaus nach Tel Aviv kam. Re-Konstruktion einer Idee in Text, Bild und Architektur“
Wie das Bauhaus nach Tel Aviv kam. Re-Konstruktion einer Idee in Text, Bild und Architektur
Die Publikation versteht sich als Beitrag zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Rezeption des Bauhaus: 2019 hat Deutschland gemeinsam mit Partnern in aller Welt den 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses begangen. 1919 in Weimar gegründet, 1925 nach Dessau umgezogen und 1933 in Berlin geschlossen, bestand die Hochschule jedoch nur ganze 14 Jahre lang.
Die Autorin untersucht die konstruierte Erzählung eines in Deutschland entwickelten „Bauhaus-Stils“, der mit jungen europäischen Architekten vor allem nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 1933 nach Palästina gekommen sei: „Architektonisch macht diese Darstellung keinen Sinn, gleichwohl findet sie sich in dieser oder abgewandelter Form in unzähligen Publikationen, Artikeln, Dokumentationen und in den Vorstellungen von Tourist/innen und Bewohner/innen, aber auch bei Menschen wieder, die nie in der Stadt selbst gewesen waren“ (S.6/7). Sie spricht von einer fast „inflationären“ Verwendung des Begriffs Bauhaus und der Etablierung eines unreflektierten Narrativs (vgl. S. 7).
Dr. Klei entschlüsselt die Bedeutung, die der Begriff Bauhaus innerhalb eines deutschen Diskurses zu Tel Aviv einnimmt, denn die Architektur dieser Stadt hat in den letzten Jahren in Deutschland viel Aufmerksamkeit bekommen. Das Bild der Stadt und ihre Bedeutung wurde letztendlich auch mit der Anerkennung der White City als UNESCO-Weltkulturerbe im Jahr 2003 institutionalisiert. Wie erfolgte diese Konstruktion eines Bildes? Welche Merkmale und Kennzeichen der Architektur werden mit welchen Folgen zugeschrieben? Und in welchem Verhältnis steht das konstruierte Bild zur städtischen Wirklichkeit? Um diese Fragen zu beantworten, greift sie auf Fotografien und Texte sowie auf die Architektur vor Ort als Medium der Vermittlung historischer Bezüge zurück.
Für den israelischen Diskurs hat Sharon Rotbard darauf verwiesen, dass die Zuschreibung Bauhaus auf die Notwendigkeit eines weißen, europäisch zentrierten Referenzpunktes für die israelische Identität verweise (vgl. Sharon Rotbard, White City, Black City. Architecture and War in Tel Aviv and Yaffa, London 2015, S.27). In Zusammenhang mit dem deutschen Diskurs argumentiert die Autorin, dass eine Geschichte erzählt werden soll, die sich auf eine Verbindung mit Deutschland konzentriert: „Aus der Sicht Tel Avivs ergibt sich so ein fokussierter Referenzpunkt für eine israelische Identität. Für die Sicht aus Deutschland entsteht eine Tradition, die die hiesige Geschichte moderner Architektur zu einem guten Ende führt und die der Vertreibung der deutschen Juden/Jüdinnen einen positiven Sinn verleiht.“ (S. 139)
Die Autorin verweist am Ende ihrer Untersuchung auch noch auf den maßgeblichen Anteil, den deutsche Autoren, Journalisten und andere Akteure daran haben, Tatsachen aktiv zu verschleiern - sie folgen damit nicht nur unreflektiert einem Narrativ, wenn sie das Bauhaus mit Tel Aviv verknüpfen: Tatsachen wie diese, dass z.B. der Bauhaus-Student Fritz Ertl als stellvertretender Leiter der SS-Zentralbauleitung im KZ Auschwitz arbeitete. „Blieben sie [die Bauhaus-Studenten] also als Architekten in Deutschland, profitierten sie davon, dass ihre jüdischen Kollegen bereits seit 1933 nicht mehr bauen durften, denunziert, gedemütigt, ausgegrenzt, in die Emigration gezwungen oder deportiert und ermordet wurden. Nennenswerte Proteste oder solidarische Handlungen sind nicht bekannt.“ (S. 139)
Dr. Alexandra Klei studierte Architektur und promovierte am Lehrstuhl Theorie der Architektur an der BTU Cottbus über das Verhältnis von Architektur und Gedächtnis am Beispiel der KZ Gedenkstätten Buchenwald und Neuengamme. Ihre Forschungsschwerpunkte sind jüdisches Bauen nach 1945, die Re-Konstruktion der White City Tel Aviv, Erinnerungsorte, die Architekturen der Nachkriegsmoderne sowie (Post-)Holocaust Landscapes. Sie lebt abwechselnd in Deutschland und Israel.
Alexandra Klei, „Wie das Bauhaus nach Tel Aviv kam. Re-Konstruktion einer Idee in Text, Bild und Architektur“, Neofelis Verlag, 2019, 160 Seiten, ISBN: 978-3-95808-244-1, 22,00 €