„WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“
„WIR. Heimat – Land – Jugendkultur"
Heimat hat wieder Konjunktur: Raus aufs Land wollen viele Stadtbewohner, weil sie sich nach Entschleunigung und Ruhe sehnen, nicht nur in ihrer Freizeit. Das Dorf scheint als neue Heimat ein attraktiver Rückzugsort, denn „hier ist die Welt noch in Ordnung“. Doch wie steht es um die Zukunftsaussichten, Freizeitbedingungen und Partizipationsmöglichkeiten von Jugendlichen im ländlichen Raum in Deutschland? Ist die Welt für sie dort auch noch in Ordnung? Die Stiftung Respekt! („Respekt! Die Stiftung zur Förderung von jugendkultureller Vielfalt und Toleranz, Forschung und Bildung“) hat im Projekt „WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“ die Lebenssituation dieser Jugendlichen untersucht, die ZEIT-Stiftung hat sowohl das Projekt als auch die Abschlusspublikation gefördert.
Im Rahmen des Gesamtvorhabens wurden von Februar 2019 bis März 2020 Workshops, Veranstaltungen und Tagungen organisiert. „Dabei wurden die Jugendlichen nicht nur befragt. Sie konnten auch in verschiedenen partizipativen Kreativworkshops eigene Ideen, Wünsche und Positionen entwickeln und dabei erkennen, dass die Erwachsenenwelt sich für sie interessiert“ (s. Vorwort, S. 9.). Zudem wurde eine Online-Befragung in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt durchgeführt. Über 800 junge Menschen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren wurden einbezogen sowie Multiplikator:innen aus der Jugendarbeit und Jugendpolitik telefonisch interviewt. Der regionale Schwerpunkt des Projekts lag in der Altmark, einer Region, die dünn besiedelt ist und als strukturschwach gilt.
Die Abschlusspublikation, von Klaus Farin und Günter Mey im Hirnkostverlag herausgegeben, gibt Einblicke in das umfassende WIR-Projektvorhaben. Neben dem Bericht über die Online-Befragung finden sich Darstellungen anderer Untersuchungen über Jugendliche im ländlichen Raum und anschließend essayistische Beiträge zu Jugendkultur. Der zweite Teil des Bandes widmet sich dem Thema Heimat in Essays und journalistischen Reportagen.
Ein wichtiges Ergebnis ist: Die meisten Jugendlichen schätzen ihre Heimat und „[…] noch mehr würden wohl gerne zurückkehren, wenn es umgekehrt genau so wäre. Wenn das Dorf – oder ihre Herkunftsregion – sie mehr wertschätzen würde. Viele wären bereit, sich für ihr Dorf und ihre Region zu engagieren, wenn es denn Angebote gäbe, die ihnen attraktiv erscheinen“ (Klaus Farin, S. 314). Den Jugendlichen sollte deshalb ermöglicht werden, etwas selber vorzuschlagen und umzusetzen, um ihnen diese Möglichkeit der Teilhabe zu eröffnen. So zum Beispiel, indem man Jugendlichen Orte oder Plätze zur Verfügung stellt, die sie nach ihren Vorstellungen gestalten können. Denn selbstorganisierte Freizeit hat einen hohen Stellenwert. Auch Mobilität ist für sie genau so wichtig wie eine funktionierende, schnelle Internetverbindung, die eine Anbindung an die Jugendkultur ermöglichen: Wie komme ich überhaupt zu den Angeboten und zurück, ohne auf die Eltern angewiesen zu sein? All das schafft, den Herausgebern zufolge, Identifikation mit der Heimat, denn „Damit das Dorf bleibt, muss es sich wandeln“ (Klaus Farin, S. 314).
Klaus Farin ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Respekt!, Autor und Leiter des Hirnkost Verlags, Initiator der Stiftung und des Archiv der Jugendkulturen e. V., dessen Vorsitzender er 13 Jahre lang war. Prof. Dr. habil. Günter Mey ist seit 2009 Professor für Entwicklungspsychologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal und Co-Leiter des Instituts für Qualitative Forschung an der Internationalen Akademie Berlin
Mit Beiträgen von: Sarah Beierle, Susanne Borkowski, Klaus Farin, Edda Gehrmann, Barbara Hallmann, Mieste Hotopp-Riecke, Patrick Küpper, Detlev Lindau-Bank, Tobias Mettenberger, Günter Mey, Kristina Milz, Benjamin Ollendorf, Sybille Sperling und Margit Stein.
Klaus Farin, Günter Mey (Hrsg.), „WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“, Hirnkost Verlag Berlin, 2020, 326 Seiten, ISBN: 978-3-948675-53-0, € 32,- auch als E-Book erhältlich: 978-3-948675-54-7 epub / 978-3-948675-55-4 pdf: € 19,99