Johannes Brahms

Johannes Brahms

Hamburg versagte Johannes Brahms (1833-1897) die Anstellung als Leiter der Philharmonischen Konzerte, und so klagte der Sohn der Stadt: „Hätte man mich zur rechten Zeit gewählt, so wäre ich ein ordentlicher bürgerlicher Mensch geworden.“ Da er in seiner Vaterstadt keinen Musikberuf ausüben konnte, schuf er schließlich in Wien sein sinfonisches und kammermusikalisches Lebenswerk.

Der Musikpublizist Matthias Kornemann folgt in seinem Hamburger Köpfe-Band den Lebens- und Erfahrungsspuren des musikalischen Genies Brahms. Er rekonstruiert dessen Jugend- und Lehrjahre in Hamburg, beginnend mit dem ersten Konzert 1848 und der Darbietung eigener Variationen bereits ein Jahr später. 1853 geht Brahms auf eine erste Konzertreise, mit der „sein Leben in eine beispiellos ausholende Bahn geriet.“

Kornemann zeichnet in dieser distanziert-kundigen Biografie die Entwicklung Brahms nach, die „ihn von einer blassen, völlig unbekannten Gestalt des Hamburger Kleinbürgermilieus zu einer in allen Musikzirkeln Europas diskutierten Berühmtheit machte, nahezu einzigartig in der Musikgeschichte.“ Nicht Brahms, wie die Literatur ihn erfand, interessiert Kornemann, sondern er blickt hinter die Lügen und Legende, analysiert den bekannten Huldigungsartikel des verfallenden Mentors Robert Schumanns, schildert, wie die exaltierten Zuschreibungen auf den jungen Komponisten zum unpersönlichen, abstrakten Märchenbild gerinnen, ihn hemmen und belasten.

Dank Matthias Kornemann erfahre man „die wirkliche Wahrheit über Johannes Brahms“, schrieb DIE WELT denn auch nach Erscheinen des Bandes: Der Autor sucht „das Beziehungsgeflecht zwischen Brahms und Robert und Clara Schumann zu entwirren, so schwierig der Legendenpanzer auch zu sprengen ist, den Clara sich, ihrem geistesverwirrten Gatten und ihrem verliebten Hausfreund umlegte.“ In dieser Brahms-Biografie wird die Ungleichzeitigkeit eines Künstlerlebens sichtbar, das schließlich auseinanderklafft in künstlerische Entwicklung und armseliges Leben.

Matthias Kornemann, Hamburger Köpfe Johannes Brahms, Herausgegeben von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Ellert & Richter Verlag, Hamburg, 2014, 184 Seiten mit 31 Abb., ISBN 978-3-8319-0586-7, € 9,95.