Joseph Carlebach
Joseph Carlebach
"Er sei ein Mann von innerer Stärke gewesen, von breiter, tiefer Bildung, eine unbestrittene Autorität, ein gläubiger Jude, der sich nicht verschloss, sich aber auch nicht assimilierte – Joseph Carlebach (1883-1942). Der bedeutende Oberrabbiner hat maßgeblich in Hamburg gewirkt bis zuletzt – am 26. März 1942 wurden er, seine Frau und drei Töchter ermordet.
Andreas Brämer, stellvertretender Direktor des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg, porträtiert in der Buchreihe Hamburger Köpfe den „Wortführer des Hamburger Judentums“. Der Autor schildert die Lebensstationen des einflussreichen, charismatischen Carlebach, der in Lübeck zur Welt kam und dort auch seine Kindheit und Jugend verbrachte. Tiefe Religiosität und erzieherische Begabung zeichneten ihn aus. Als junger Dozent lebt er zwei Jahre in Jerusalem und setzt seine wissenschaftliche Ausbildung 1905 in Berlin fort. Traditionsbewusst und streitbar zugleich, sucht Carlebach nach geeigneter Betätigung. Der Erste Weltkrieg verschlägt ihn ins litauische Kaunas, wo er eine Schule gründet und leitet. Seine Enthusiasmus, seine Persönlichkeit, seine Kenntnisse wirken weit über die pädagogische Sphäre hinaus. 1920 wird er Rabbiner in seiner Heimatstadt Lübeck. Nicht lange danach zieht es ihn nach Hamburg, wo er weithin wirkt, zuerst in Altona und dann als Oberrabbiner der Hansestadt Hamburg, an die Bornplatz-Synagoge.
Die Biografie zeigt Carlebachs pädagogische Verdienste bei der Etablierung der Talmud-Tora-Realschule am Hamburger Grindel, die bald zur Modell-Institution wird, und die Ausstrahlung des Geistlichen, der auf die Orthodoxie und ihre Geschlossenheit orientiert. Angesichts des rassistischen Nationalsozialismus engagiert sich Carlebach für den Aufbau und die Festigung religiöser Einrichtungen. „Seine Hoffnung, dass das deutsche Judentum in Anbetracht der gemeinsamen Verfolgungserfahrung zu größerer Geschlossenheit gelangen werde, erwies sich letztendlich als Utopie“, so Andreas Brämer. Überzeugt davon, solange irgend möglich in Deutschland bleiben zu müssen, erwies sich Joseph Carlebach als vorbildliche, starke Persönlichkeit in mörderischer Zeit.Andreas Brämer, Hamburger Köpfe Joseph Carlebach, herausgegeben von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2007
216 Seiten, 40 Abb., € 14,90; ISBN 978-3-8319-0293-4