„Gerade jetzt, in einer Zeit großer Umbrüche, brauchen wir solche Diskursräume, in denen wir uns als Verschiedene begegnen und austauschen,“ betonte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede zum 50. Jubiläum der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Rede in Textform und als Video). Die Stiftung agiere als wichtige Moderatorin, „die unterschiedliche Menschen miteinander ins Gespräch bringt“, lobte er das Engagement für eine liberale Streitkultur. Und beschrieb damit gleichzeitig das Wesen des folgenden Festaktes: Austausch und Vielstimmigkeit.
„Es ist großartig, dass das jetzt klappt!“ – mit diesen Worten eröffnete der Kuratoriumsvorsitzende Burkhard Schwenker zuvor voller Leidenschaft die Feierlichkeiten zum runden Geburtstag der Stiftung. Der Festakt hatte aufgrund der Pandemie um einige Monate verschoben werden müssen und konnte nun vor dem voll besetzten Helmut-Schmidt-Auditorium an der Bucerius Law School stattfinden. Eine andere Hoffnung, die Schwenker gehabt habe, sei leider nicht eingetreten: „Dass wir mit dem Abflachen von Corona endlich wieder die Dynamik, die Zuversicht erreichen, die wir uns alle gewünscht haben.“
Der Ukraine-Krieg führe alle an ihre Grenzen, fordere heraus, individuell, wirtschaftlich und geopolitisch. „Darum werden wir heute keinen typischen Geburtstag feiern, keinen feierlichen Blick zurückwerfen“, erklärte Schwenker. Im Gegenteil: Man wage den „Blick nach vorn, auf der ernsthaften Suche danach, was wir tun können und wie wir uns am besten aufstellen.“ Drei Elemente, die aus seiner Sicht für die Arbeit der ZEIT-Stiftung zentral seien: In Szenarien denken, „klare Kante“ zeigen und die Freiheit aktiv verteidigen.
Eine, die sich unter besonders schwierigen Umständen für die Freiheit einsetzt, richtete sich in einer Videobotschaft an die Gäste: Die belarussische Oppositionelle Sviatlana Tsikhanouskaya. „Seit einem halben Jahrhundert sind sie eine treibende Kraft, die die Zivilgesellschaft unterstützt – vor allem in Osteuropa“, sage sie. Die friedlichen Proteste für mehr Demokratie in Belarus seien zwar gewaltsam niedergeschlagen worden, sie habe jedoch den Glauben an die Wirkung von Demonstrationen und Worten nicht verloren. Sie forderte die Anwesenden auf: „Erhebt auch weiterhin eure Stimme für die, die in Belarus zum Schweigen gebracht wurden.“
Über das ‚Wie‘ des aktiv-Werdens zur Verteidigung der Freiheit diskutierte der Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo, dann mit Clemens Trautmann, Präsident der Deutsche Grammophon, Susanne Kailitz-Kunz vom Veto Magazin und Thomas de Maizière, Bundesinnenminister a.D.. Sie beschrieben ihre Sicht darauf, wie man ein Bewusstsein für demokratische Prozesse schaffen und einen konstruktiven Diskurs fördern kann. Beides Ziele, die auch die Arbeit von Ebelin und Gerd Bucerius prägten, erinnert sich Manfred Lahnstein, ehemaliger Vorsitzender des Kuratoriums, an seine Begegnungen mit den Stifter:innen.
Ein Geschenk in ihrem Sinne, das sich die Stiftung zum 50. Geburtstag selbst gemacht hatte: Studierende der Bucerius Law School waren Teil einer Auswahlkommission und konnten fünf Projekte auswählen, die aus einem extra eingerichteten Jubiläumsfonds gefördert wurden. „Wir waren von der Idee von Anfang begeistert, als Studierende nicht nur die Stiftungsarbeit besser kennenzulernen, sondern auch Impulse für die zukünftige Stiftungsarbeit setzen zu können“, freute sich die Nachwuchsjuristin Sarah Heidner, die Teil des Auswahlkomitees war und die Initiativen auf der Bühne vorstellte.
„Aus den 132 Anträgen haben wir fünf wirklich großartige und auch sehr unterschiedliche Projekte ausgewählt“, beschrieb ihr Kommilitone Simon Bösken das Ergebnis. „Jedes einzelne repräsentiert die Werte der ZEIT-Stiftung und ihrer Stifter auf eine ganz besondere Weise.“ Und dann ging er in den Dialog, denn von allen ausgewählten Ideen saßen Vertreter:innen im Publikum: von der „Internationalen Deutscholympiade“ bis hin zu den „Prignitzer Abendbrotgesprächen“, vom Forschungsprojekt „Qualitätsjournalismus auf TikTok?“, der Konzertreihe „48h Jenfeld“ und der „24h-Diskussion“ im sächsischen Zwickau.
Was alle Projekte gemeinsam haben? Sie sorgen für mehr Verständnis – füreinander und für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Und sie ermöglichen es engagierten Menschen, ihre Ideen für ein besseres Miteinander in die Tat umzusetzen. Als praktisches Beispiel, was das bewirken kann, tanzten dann Jugendliche der HipHop Academy durch den Saal. Der Hintergrund des Auftritts: Die ZEIT-Stiftung fördert seit 2014 das Youngsters HipHop Camp. Jedes Jahr können dort in den Sommerferien Schüler:innen nicht nur kostenlos tanzen und rappen lernen, sondern erfahren auch viel über die Werte des HipHops: Respekt und Teamwork.
Ein Projekt ganz im Sinne des Anliegens, das Bundespräsident Steinmeier an die Stiftung richtete: „Ich wünsche mir, dass Sie auch in Zukunft Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Überzeugung zusammenbringen.“ Dieses Einbeziehen von Menschen sei eine große Stärke von Stiftungen, sie könnten Zusammenhalt und Veränderungsbereitschaft stiften, weil sie Bürger:innen ermutigten, die großen Umbrüche vor Ort mitzugestalten. Er dankte auch Michael Göring, der bis 2021 Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung war, für seinen Einsatz.
Das aktive Eintreten für liberale Werte sei aktuell besonders notwendig, denn liberale Demokratien seien von inneren und äußeren Bedrohungen betroffen. Extremismus, Populismus und Desinformation fänden in derart unsicheren Zeiten bei zu vielen Menschen Anklang. Und: „Wir erleben zugleich, dass viele Menschen immer noch mit Gleichgültigkeit oder Desinteresse reagieren, wenn die Faszination des Autoritären um sich greift.“, so Bundespräsident Steinmeier weiter. Dem könne und müsse die Zivilgesellschaft etwas entgegensetzen, weswegen er sich wünschte, dass mehr gemeinnützige Stiftungen gegründet würden.
Die zukünftige Ausrichtung der ZEIT-Stiftung ist die Aufgabe von Manuel J. Hartung, der seit Anfang 2022 Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung ist. In seiner Abschlussrede zeichnete er ein Bild dessen, was nun auf der Agenda stehe: „Die Zivilgesellschaft muss in diesen Zeiten stärker auftreten, um für das zu kämpfen, was auf dem Spiel steht: die offene und liberale Gesellschaft und die Freiheit in Europa.“ Hartung kündigte an, dass die ZEIT-Stiftung ihr Engagement für die Pressefreiheit ausbaue, ein neues Programm für Wissenschaftsfreiheit starte und sich dem Kampf gegen Desinformation noch stärker widmen werde.
Weiter ging die Feier unter strahlend blauem Himmel auf dem Campus der Bucerius Law School. Die „Benny & Lionell Small Group“ der Hamburger Hochschule für Musik und Theater begleitete den Bundespräsidenten und die geladenen Gäste mit jazzigen Klängen nach draußen. Für das Staatsoberhaupt ging es jedoch nach vielen Selfies und Gesprächen und wenigen Häppchen weiter. Der zweite Programmpunkt führte ans Louise Weiss Gymnasium im Hamburger Stadtteil Hamm.
Dort traf sich der Bundespräsident mit Schüler:innen, Mentor:innen und Lehrer:innen aus dem Mentoringprogramm WEICHENSTELLUNG der ZEIT-Stiftung. Bei Gesprächen in kleinem Kreis und ohne Kameras tauschte er sich unter anderem mit Kindern aus, die jüngst aus der Ukraine fliehen mussten. Steinmeier war sichtlich berührt: „Ich bin mir auch ganz sicher, es lernen nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Mentoren hinzu“, schilderte Steinmeier seine Eindrücke von dem Projekt, bevor er zurück nach Berlin fuhr. Im Gepäck: Viele Begegnungen mit Menschen, die sich engagieren.
Alle Fotos in diesem Beitrag: Perrey/ZEIT-Stiftung
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