Der Morgen beginnt mit einem Schock: Der von der Kaffeemaschine durch Gesichtserkennung automatisch zubereitete Milchkaffee entpuppt sich als ungenießbare Brühe. Die Maschine wurde gehackt, nachdem zusätzliche Ausgaben für digitale Schutzmaßnahmen nicht nötig schienen. Der Protagonist tröstet sich mit einem Blick auf die potenziellen Einnahmen durch sein Prosumenten-Profil. Großkonzerne bieten dort Höchstpreise für uneingeschränkten Zugang zu persönlichen Daten. Eine Vogelschutz-Organisation möchte die Hintergrundgeräusche von Telefondaten auswerten, kann jedoch finanziell nicht mithalten.
Mit diesem Szenario macht Theresa Hannig den Auftakt zur zweiten Session der Reihe Rasender Stillstand „Daten: Gläsern für den guten Zweck?“. Die Leitfragen: Wie kann ein positiver Umgang mit Daten gelingen? Und welche Voraussetzungen brauchen wir für einen gleichermaßen pragmatischen wie vertrauensbildenden Datenschutz?
Darüber diskutierten:
Ein eindrucksvolles Beispiel für die Potenziale der Datensammlung und -analyse liefert die von Dirk Brockmann initiierte Datenspende-App, die ins Leben gerufen wurde, um die gesundheitlichen Folgen einer Corona-Erkrankung zu untersuchen und Vorhersagen zu ermöglichen. Brockmann beschreibt die App als „Fieberthermometer für Deutschland“: Durch Wearable Devices können die Nutzer:innen gesundheitsrelevante Daten wie Schlafzeiten und Ruhepuls übermitteln. Den Erfolg des CitizenScience-Projekts, an dem bis zu 500.000 Menschen in Deutschland teilnahmen, erklärt sich Brockmann unter anderem durch eine transparente Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Bürger:innen wurden im Blog des Projekts über aktuelle Arbeitsschritte und Ergebnisse informiert und konnten sich mit Vorschlägen und Anliegen an das Team wenden.
Auch der Datenjournalismus erfuhr durch die Pandemie einen Boom, beschreibt Anna Behrend. Noch nie hätte es einen tagesaktuellen Gegenstand der Berichterstattung gegeben, der in solchem Maße datengetrieben war. Zu den Ergebnissen zählten unter anderem die inzwischen allseits bekannten Dashboards auf Medienseiten, die beispielsweise aktuelle Corona-Zahlen oder Klimadaten anzeigen und visualisieren. Gleichzeitig betont die Journalistin, die eigentliche Kernkompetenz ihres Berufs nach wie vor in der Einordnung von Daten zu sehen. Auch Brockmann betont, dass Daten für sich genommen nutzlos seien, solange sie nicht dazu beitragen, Prozesse besser zu verstehen. Gleichwohl glaubt Anna Behrend nicht, dass das Potenzial des Datenjournalismus sich allein auf die Pandemie beschränke. Als weitere Beispiele nennt sie die Analyse von Klimadaten, Dynamiken in den sozialen Medien oder Untersuchungen zum Mobilitätsverhalten.
Datenkompetenzen mit sinnvollen Anliegen zu verbinden – das ist auch das Ziel von Johannes Müller. Mit seinem Verein CorrelAid e.V. berät er gemeinnützige Einrichtungen. Ein Beispiel: Eine Korrelation von Erfahrungswerten der vergangenen Jahre mit Wetterdaten ermöglicht es der „Tafel“, den Bedarf an Lebensmitteln in naher Zukunft genauer vorherzusagen. Müller betont: Bei Optimierung müsse es nicht um Profit und kommerzielle Motive gehen. Ebenso könne sie zivilgesellschaftlichen Organisationen helfen, ihre Arbeit besser zu machen. Eine Herausforderung sieht er darin, Data Scientists und Vertreter:innen entsprechender Einrichtungen zusammenzubringen. Denn Datengeber:innen wissen oft nicht, welche Daten relevant sind, und Datenverwerter:innen wiederum nicht, welche Daten zur Verfügung stehen.
Warum herrscht in Deutschland ein so großes Grundmisstrauen in Bezug auf Daten, obwohl es zahlreiche positive Anwendungsbeispiele gibt? Zum einen ist der Missbrauch von Daten zu kommerziellen Zwecken im öffentlichen Diskurs sehr präsent. Zum anderen gilt „Datenschutz“, insbesondere in Deutschland, als Reizwort. Das sei jedoch nicht nötig, hebt Dirk Brockmann hervor. Er wünscht sich, dass Datenschutz als konstruktiver und positiver Prozess verstanden wird. Wie beim Umweltschutz ginge es darum, etwas Schützenswertes zu bewahren.
Die Vermeidung jeglicher Datenerhebung bezeichnet er dagegen als „Datenschützerschutz“, der vor allem dazu diene, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Auch Anna Behrend bestätigt, dass Datenschutz häufig als Vorwand genutzt würde, um sich nicht mit einem angemessenen Umgang mit Daten beschäftigen zu müssen – selbst dann, wenn gar keine personenbezogenen Daten abgefragt würden. Oft fehle in Behörden schlicht die Expertise, um Daten so bereitzustellen, dass sie nützlich, aber geschützt sind. Für die Zukunft wünscht sie sich Informationsfreiheitsgesetze in allen Bundesländern.
Johannes Müller formuliert eine weitere Vision: Er hofft, dass NGOs die Digitalisierung mitgestalten können, indem jeder zivilgesellschaftlichen Einrichtung – von der freiwilligen Feuerwehr bis hin zum Bund für Umweltschutz – Datenspezialist:innen zur Verfügung stehen. Auf diese Weise könnten Sie auf Augenhöhe mit der Wirtschaft agieren und nicht-kommerzielle Zwecke der Datennutzung populärer machen. Dirk Brockmann wünscht sich, dass Citizen Science zum neuen Standard und, damit einhergehend, die Möglichkeit von Vertrauen zum Normalfall wird.
"Rasender Stillstand“ heißt eine digitale Reihe mit Gesprächen zur Mittagspause, die das Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung gemeinsam mit Holtzbrinck Berlin und Wissenschaft im Dialog initiiert hat. Gäste aus Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft beleuchten in einer moderierten Diskussion aktuelle Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen, geben Impulse und steuern Lösungsansätze bei. Die Zuschauer:innen können Fragen stellen und mitdiskutieren.
Alle Videos der Reihe finden Sie in der Rasender Stillstand-Playlist, außerdem gibt es eine Zusammenfassung der aktuellen Staffel in Textform.
„Rural Futures“ untersucht Chancen und Konflikte zwischen Stadt und Land und verpackt wissenschaftliche Erkenntnisse in greifbare Texten.
08. September 2023Im Rahmen des Reise-Seminars „Borders in Focus“ schildern Journalist:innen und Wissenschaftler:innen eindrückliche Szenen der menschlichen Notlage.
07. September 2023Spannende Diskussion mit dem Bundespräsidenten zur Transformation der Gesellschaft.
07. Juli 2023Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier widmet sich in der Gesprächsreihe gesellschaftlichen Zukunftsthemen in Deutschland.
26. Juni 2023Gefördert werden internationale, digitale Projekte aus Geistes- und Sozialwissenschaften zum Thema „Grenzen und Räume“.
05. April 2023WPK-Innovationsfonds fördert sechs neue journalistische Projekte und unterstützt damit den Wissenschafts- und Datenjournalismus.
03. April 2023Mit dem Schwerpunkt „The writing on the wall“ fördert die ZEIT-Stiftung eine Artikelreihe des Magazins „Eurozine“ über die Bedrohung von Demokratien.
01. März 2023Zum Abschluss des „Journalistischen Kolloquiums“ diskutierten Expert:innen in der Bucerius Law School über Journalismus und Recht im digitalen Raum.
27. Februar 2023Europäische Sicherheit, Klimaflucht und Geotechnologie: Mit diesen Fokusthemen starten drei Fellows in das Helmut Schmidt Fellowship 2023.
31. Januar 2023Bewerber:innen mit Promotionsprojekten zur Grenzforschung können sich bis zum 1. März bewerben.
18. Januar 2023Alena Buyx spricht über Chancen der Stiftungsarbeit, virale Reaktionen und warum Wissenschaftler:innen die Grenzen ihrer Kompetenz kennen sollten.
17. Januar 2023Vor 30 Jahren sang Natalie Cole ein Duett mit ihrem toten Vater. Heute sind wir medial von Verstorbenen umgeben. Wie verändert das unsere Wahrnehmung?
21. November 2022In der zweiten Runde des Programms „Beyond Borders“ untersuchen Stipendiat:innen, wie sich Migration auf Wissens- und Kulturkreisläufe auswirkt.
11. November 2022Beim 87. ZEIT Forum Wissenschaft diskutieren Expert:innen und Politik darüber, wie wir uns auf eine nächste Pandemie vorbereiten sollten.
07. November 2022Der WPK-Innovationfonds unterstützt Pionier:innen, die im Wissenschafts- und Datenjournalismus neue Wege beschreiten wollen.
26. September 2022Beim Alumni-Treffen der ZEIT-Stiftung in Wien ging es um Angriffe auf demokratische Werte und die Folgen für Wissenschaft und Journalismus.
20. September 2022Ergebnisse einer OECD-Studie zeigen: Die Kluft zwischen den Qualifikationen, die ein Uni-Abschluss bescheinigt, und tatsächlichen Fähigkeiten wächst.
12. September 2022Bei der Sommerakademie „Rural Futures” dreht sich alles um die Zukunft ländlicher Räume.
07. September 2022Seit zehn Jahren sorgt das Mentoring-Programm WEICHENSTELLUNG für mehr Bildungsgerechtigkeit.
05. September 2022Fakten von Propaganda zu unterscheiden, ist gerade jetzt wichtiger denn je. Deshalb fördert die ZEIT-Stiftung „Journalismus macht Schule“ (JMS).
11. August 2022Ein neues Magazin der ZEIT-Stiftung stellt Menschen und Projekte vor, die Grenzen zwischen Städten und ländlichen Räumen aufheben.
02. August 2022Wie kann digitale Bildung Schüler:innen und Gesellschaft weiterbringen? Darüber diskutierten drei Expert:innen in unserer Reihe "Rasender Stillstand".
26. Juli 2022Bis zu zehn Postdoc-Stipendien richten sich an ukrainische Wissenschaflter:innen, die von Krieg und Vertreibung betroffen sind.
21. Juni 2022Die Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz hielt am 19. Juni die Bucerius Lecture an der Universität Haifa in Israel.
19. Juni 2022Neue Folge Zwischenrufe: Anna Dushime spricht im Podcast mit drei Expertinnen über den Kampf gegen Rassismus und Hass.
08. Juni 2022Die ZEIT-Stiftung und der German Marshall Fund of the United States vergeben wieder zwei Helmut Schmidt Fellowships.
07. Juni 2022Der Innovationsfonds der Wissenschaftspressekonferenz unterstützt wissenschafts- und datenjournalistische Pionier:innen.
01. Juni 2022Die Fellowships unterstützen innovative Forschungsansätze zur deutschen Geschichte, Kultur und Gesellschaft des 20. Jahrhunderts.
26. Mai 2022Beim Festakt zum 50. Jubiläum der ZEIT-Stiftung sprach Bundespräsident Steinmeier über die Stärken von Demokratien und lobte die Rolle von Stiftungen.
18. Mai 2022Darüber diskutierten die Politikwissenschaftlerin Geraldine de Bastion, die Medienethikerin Jessica Heesen und der Philosoph Jörg Noller.
11. Mai 2022Auf Fehmarn können sich beim Rural Futures-Workshop „Moderne Provinzen” Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen aus beiden Ländern austauschen.
16. März 2022Im April konnten die Besucher:innen das Programm wieder vor Ort auf Kampnagel verfolgen – und im Livestream.
14. März 2022Wir haben Stimmen von Expert:innen aus dem Netzwerk der ZEIT-Stiftung zur aktuellen Situation in der Ukraine zusammengetragen.
16. Februar 2022Jetzt für die Arnold Heidsieck Scholarships der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius bewerben.
10. Februar 2022Digital Charta-Initiative begrüßt Erklärung der EU-Kommission zu digitalen Rechten und Grundsätzen.
07. Februar 2022Das Stipendienprogramm Beyond Borders fördert Promotionsprojekte in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Jetzt bewerben!
14. Januar 2022Langjährige Wegbegleiter:innen und Mitarbeiter:innen sprechen über Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der ZEIT-Stiftung.
14. Dezember 2021Die zweite Staffel der Reihe „Rasender Stillstand“ befasst sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Begriff der Stunde: Verantwortung.
01. Dezember 2021Eine neue Studie im Auftrag der ZEIT-Stiftung analysiert den Diskurs über Städte und ländliche Räume.
24. November 2021Wovon ist abhängig, ob die Initiativen das Land wiederbeleben? Welche Menschen finden sich in solchen Projekten wieder? Welche Ziele verfolgen sie?
28. Oktober 2021In der Podcast-Reihe „Nobel Prize Conversations“ verraten sechs Nobelpreisträger:innen, was sie von der Zukunft erwarten.
22. Oktober 2021Fünf Dinge, die uns die #UseTheNews-Studie über die Mediennutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen verrät – eine Leseprobe.
19. Oktober 2021Im Podcast spricht Moderatorin Katharina Heckendorf mit Innovationsmanager Ole Keding über agiles Arbeiten und diverse Teams.
11. Oktober 2021Zwei WEICHENSTELLUNG-Mentor:innen erzählen im Interview, was sie bei der Übernahme des Amtssitzes des Bundespräsidenten erlebt haben.
11. Oktober 2021Bei der Ideenwerkstatt Stadt.Land.Zukunft in Homberg (Efze) tauschten sich die Teilnehmer:innen interdisziplinär aus und gingen auf Entdeckungstour.
01. Oktober 202120 Doktorand:innen aus aller Welt starten als Stipendiat:innen im Programm Beyond Borders. Sie untersuchen Grenzen in Vergangenheit und Gegenwart.
20. September 2021Im Mittelalter waren Stadt und Land klar definiert. Heute ist die Unterscheidung kompliziert. Eine Leseprobe aus „Wir. Heimat – Land – Jugendkultur“.
19. September 2021Beim Youngsters HipHop Camp lernen Hamburger Kinder nicht nur Tanzen und Rappen, sondern auch viel über Teamwork und Respekt.
08. September 2021Bei der Ideenwerkstatt im nordhessischen Homberg diskutierten 14 Fellows über zukunftsfähige Regionen. Hier stellen sie sich vor.
02. September 2021Jetzt reden wir! Beim ZEIT LEO-Kindergipfel stellte WEICHENSTELLUNG-Mentee Ecrin dem Ersten Bürgermeister ihre Fragen.
25. August 2021Mit fünf Fellowships fördert die ZEIT-Stiftung die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte.
18. August 2021Die Bucerius Lecture von Manfred Lahnstein befasst sich mit der Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland.
08. Juni 2021Beim diesjährigen Europacamp der ZEIT-Stiftung diskutierten unter anderem Heiko Maas, Sandra Maischberger, Eckart von Hirschhausen, Sandra Gugić, Timothy Garton Ash und Wolfgang Ischinger.
07. Juni 2021"Wie wollen wir leben?“ – Das ist seit Beginn die Leitfrage des Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung. Jetzt feiert es seinen zehnten Geburtstag.
02. Juni 2021Von 2018 bis 2020 beschäftigten sich Jugendliche sowie Expert:innen aus Wissenschaft und kultureller Bildung mit dem Thema „Jugend auf dem Lande"
25. März 2021