Für eine Stiftung zu arbeiten, die wie die ZEIT-Stiftung Wissenschaft, Kunst und Kultur sowie das Bildungswesen in ihren Satzungszielen verankert hat, bedeutet in erster Linie, Menschen zu fördern, ihnen Chancen zu bieten, die sie sonst nicht hätten, ihnen Impulse zu vermitteln oder auch sie in Notlagen zu unterstützen. Ich kam im Herbst 1992 als junger Mitarbeiter der Studienstiftung des deutschen Volkes in Bonn das erste Mal mit der ZEIT-Stiftung in Berührung, als Gerd Bucerius und seine Partnerin Hilde von Lang dort anfragten: Ihr Wunsch war es, in der Studienstiftung ein Programm für Jurastudentinnen und -studenten zu errichten, die unmittelbar nach ihrem Staatsexamen ihr Jurawissen im Ausland vertiefen oder um Kenntnisse aus verwandten Wissenschaftsgebieten ergänzen sollten.
Aus den damaligen Überlegungen entstand – finanziell gefördert von der ZEIT-Stiftung – 1994 das Bucerius-Jura-Programm. 185 Studierende der Rechtswissenschaften haben das Programm seitdem absolviert, zwei davon sind heute Professoren an der Bucerius Law School. Ob für Gerd Bucerius die Freude ausschlaggebend war, die er bei sich als Stifter und bei den Geförderten antizipieren konnte? 1971 hatte er die ZEIT-Stiftung gegründet und ihr die Marke DIE ZEIT übertragen, um so die Wochenzeitung zu schützen. Bis zu seinem Tod 1995 hat Gerd Bucerius über seine Stiftung 90 Projekte gefördert, darunter den Aufbau der Privaten Hochschule Witten/Herdecke und den Kauf und Umbau des Hauses am Schwanenwik als Literaturhaus für Hamburg.
Gerade das frühe Engagement für die Private Hochschule Witten/Herdecke als Modell für neue Wege in der Hochschulförderung hat mir schon damals besonders imponiert. Es gewann leitmotivische Funktion für die zweite Phase der ZEIT-Stiftung, die nach dem Tod von Gerd Bucerius mit der Übertragung seines persönlichen Vermögens auf die Stiftung begann. Nun war die ZEITStiftung plötzlich eine der größten im Land. 1997 – mittlerweile war auch Ebelin Bucerius verstorben – konnte die Stiftung mit dem Aufbau eines professionellen Managements beginnen. Ich hatte das große Glück, für diese Aufgabe 1996 zum Stiftungsvorstand bestellt zu werden.
1999 folgte die Entscheidung für die Bucerius Law School als Stiftungshochschule. Das Modell von Witten/Herdecke und das der WHU in Koblenz standen Pate; deren Geschäftsführer gewährten mir Einsicht in die Bücher. Das Risiko war nicht gering, aber das Kuratorium unter dem Vorsitz von Manfred Lahnstein war bereit, es zu tragen. Jedes Mal, wenn ich die Absolventinnen und Absolventen der Law School treffe und sie mir von ihren beruflichen Aufgaben oder Zielen erzählen, weiß ich von dem oben bereits erwähnten Glück.
Auch die zweite große Entscheidung des Kuratoriums hatte ihre Analogie im stifterischen Wirken von Gerd Bucerius: Wie das Literaturhaus ist das Bucerius Kunst Forum bewusst als Forum konzipiert, als Ort des Austauschs über Kunst und Kultur, über Gesellschaft und Individuum, über Tradition und Zukunft. Wir hatten auch hier Glück: Die Erwartungen werden Woche für Woche neu erfüllt, es sei denn, Covid-19 zwingt in den Lockdown.
Institutionell zu denken, war für eine gemeinnützige Stiftung in den 1990er und 2000er Jahren eher ungewöhnlich. Noch stand das Diktum, eine Stiftung solle in erster Linie anstiften, im Mittelpunkt. Doch schon Roman Herzogs Definition der Stiftung als „Motor des Wandels“ stellte die Frage nach der Nachhaltigkeit stifterischen Wirkens. Ich bin sicher, dass unsere auf Dauer angelegten Stiftungs-„Töchter“ Law School und Kunst Forum die Forderung nach nachhaltiger Wirkung besonders gut erfüllen.
Nicht immer müssen derartige Einrichtungen in Stein gemeißelt sein. Die Bucerius Summer School on Global Governance hat kein eigenes Gebäude, existiert aber seit dem Jahr 2001, unterbrochen nur in den beiden Covid-19-Sommern, und hat mit ihren Partnereinrichtungen und über 1650 Alumni der Governance- Programme längst institutionellen Charakter. Ein derartig langer Atem verpflichtet die Stiftung, fokussiert aber auch ihre Tätigkeit auf bestimmte Schwerpunkte und gibt ihr damit ein deutlicheres Profil.
Das hat in der Bildungsförderung dazu geführt, dass wir uns seit nunmehr acht Jahren auf Mentoring-Programme konzentrieren, also auf außerschulische Fördermaßnahmen, jedoch in enger Verbindung mit den Schulen und Hochschulen. Wer einmal selbst erlebt hat, wie selbstbewusst ein zwölfjähriger syrischer Junge nach nur einem Jahr in Deutschland und einem halben Jahr als Mentee seine Beherrschung der deutschen Sprache präsentiert, erfährt wieder etwas von dem eingangs beschriebenen Glück, was sich auch im Gesicht seiner 21-jährigen studentischen Mentorin spiegelt.
Als in Hamburg gegründete und ansässige Stiftung machen wir uns das Hamburg-Motto „Tor zur Welt“ zu eigen und sind in mehreren Ländern im Ausland aktiv. Mit besonderem Interesse habe ich stets unsere Fördermaßnahmen in Israel gesehen, hier vor allem an der Universität Haifa. Sie ist eine der wenigen israelischen Hochschulen, die jüdischen und nicht jüdischen Studierenden offenstehen. Seit Jahren vergeben wir dort Stipendien an junge nicht jüdische arabische Frauen. Sie sind oft die Ersten in ihren Dörfern, die den Schritt zum Studium an einer Hochschule wagen. Wenn wir diesen Frauen die Bachelor- oder Masterzeugnisse übergeben, eine Feier, zu der viele schon mit ein oder zwei Kindern erscheinen, und wir sehen den Stolz in ihren Augen, dann wissen wir, dass unsere Stipendien bei diesen Frauen lebenslang Wirkung entfalten werden.
Ich hatte die Chance, 25 Jahre für die ZEIT-Stiftung tätig zu sein, und gebe das Amt des Vorstandsvorsitzenden zum 1. Januar 2022 an Manuel Hartung weiter. In der Literatur zu Stiftungen finden Sie viel über gesellschaftliche Verantwortung, über die Bedeutung der Zivilgesellschaft, die Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums oder die Innovationskraft gemeinnützigen Engagements. Das ist alles richtig, aber es sagt nichts über die tiefgehende Befriedigung und das große Glück aus, das sich mit „Fördern dürfen“ verbindet.
Prof. Dr. Michael Göring ist Vorsitzender des Vorstands der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und war von 2014 bis 2018 Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Er hat Bücher über Stiftungen geschrieben – und fünf Romane.
Die ZEIT-Stiftung setzt sich für die Verteidigung der Pressefreiheit ein – in regionalen bis internationalen Projekten und Förderungen.
03. Mai 2023Willkommen zurück: Evelyn Bertz übernimmt zum 1. Juni 2023 die Leitung Verwaltung und Finanzen des Bucerius Kunst Forums in Hamburg.
04. April 2023Alena Buyx spricht über Chancen der Stiftungsarbeit, virale Reaktionen und warum Wissenschaftler:innen die Grenzen ihrer Kompetenz kennen sollten.
17. Januar 2023Mit großem Dank verabschieden wir Peer Steinbrück aus unserem Kuratorium und heißen Prof. Dr. Alena Buyx als neues Mitglied willkommen.
17. Januar 2023Prof. Dr. Andreas Hoffmann ist seit 2007 Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums und übernimmt zum 1. Mai die Geschäftsführung der documenta.
12. Januar 2023Wir wünschen Ihnen eine ruhige Zeit und einen guten Start für 2023.
20. Dezember 2022Von Applaus begleitet empfingen Irina Scherbakowa und die Tafel Deutschland e.V. den Marion-Dönhoff-Preis. Bundeskanzler Scholz hielt eine Laudatio.
05. Dezember 2022Free Media Awards 2022 im Nobel-Institut in Oslo an Journalist:innen und Medien aus der Ukraine vergeben.
17. Oktober 2022Memorial-Mitgründerin Irina Scherbakowa erhält den Marion-Dönhoff-Preis 2022 – Der Förderpreis geht an Tafel Deutschland e. V..
10. Oktober 202235.000 Euro sind durch Spendenaktionen von März bis September 2022 für den Culture of Solidarity Fund Ukraine zusammengekommen.
15. September 2022Theo Sommer ist im Alter von 92 Jahren gestorben.
22. August 2022Vor 25 Jahren starb unsere Stifterin Ebelin Bucerius. Mit ihrem Mann baute sie den Zeitverlag auf und legte damit den Grundstein für diese Stiftung.
05. Juli 2022Prof. Manuel J. Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung, sprach mit neues-stiften.de über prägende Lebensphasen und die Zukunft des Stiftens.
22. Juni 2022Beim Festakt zum 50. Jubiläum der ZEIT-Stiftung sprach Bundespräsident Steinmeier über die Stärken von Demokratien und lobte die Rolle von Stiftungen.
18. Mai 2022Die bisherige künstlerische Leiterin wird zum 1. Mai Direktorin des Hamburger Ausstellungshauses der ZEIT-Stiftung.
22. April 2022Bis 1962 sitzt der Verleger für die CDU im Bundestag. Dann kommt es zum Zerwürfnis zwischen ihm und der Partei.
08. Februar 2022Generationswechsel im Vorstand der ZEIT-Stiftung komplett. Zum 1. Januar hat Professor Manuel J. Hartung den Vorstandsvorsitz der Stiftung übernommen.
17. Januar 2022Unser Vorstandsvorsitzender Michael Göring geht nach fast 25 Jahren bei der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Ende Dezember in den Ruhestand.
21. Dezember 2021Langjährige Wegbegleiter:innen und Mitarbeiter:innen sprechen über Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der ZEIT-Stiftung.
14. Dezember 20211971 gründete Gerd Bucerius die ZEIT-Stiftung. Sein Handeln und Denken treibt uns bis heute an.
14. Dezember 2021Am 15. Dezember 1971 genehmigte der Hamburger Senat die Gründung der ZEIT-Stiftung durch Gerd Bucerius – eine Chronik.
14. Dezember 2021Der ehemalige Finanzvorstand Michael Berndt berichtet, wie man eine Stiftung auch in wirtschaftlich stürmischen Zeiten auf Kurs hält.
07. Dezember 2021Die Gründung der Bucerius Law School war eine Revolution und veränderte die deutsche Bildungslandschaft nachhaltig. Wie kam es dazu?
05. Dezember 2021Der langjährige Kuratoriumsvorsitzende Manfred Lahnstein erklärt, warum internationaler persönlicher Austausch ein Fundament der Stiftungsarbeit ist.
04. Dezember 202150 Jahre ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius – ein Grund zum Feiern, wenn auch mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen aufgrund der Coronapandemie.
23. November 2021Manuel J. Hartung übernimmt zum Ende des Jahres 2021 den Vorstandsvorsitz der ZEIT-Stiftung von Michael Göring, der zum Jahreswechsel in den Ruhestand geht.
02. November 2021Der Freiheit immer wieder eine Bühne zu geben sei eine der Aufgaben der ZEIT-Stiftung, schreibt Burkhard Schwenker, Vorsitzender des Kuratoriums.
27. Juli 2021Auf 122 Seiten enthält das Jubiläumsmagazin einen Rückblick auf 50 Jahre ZEIT-Stiftung, Einblicke in die Projekte und einen Ausblick in die Zukunft.
25. Juli 2021"Wie wollen wir leben?“ – Das ist seit Beginn die Leitfrage des Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung. Jetzt feiert es seinen zehnten Geburtstag.
02. Juni 2021