Vorstandsvorsitzender Hartung: „Wir sind alle verantwortlich.“
Bildungsungerechtigkeit grassiert. Nach wie vor hängt Bildungserfolg in Deutschland maßgeblich von der Herkunft der Eltern und dem sozialen Hintergrund ab. Wenn Kinder mit schlechteren Voraussetzungen starten, zieht sich das meist durch die spätere schulische Laufbahn. Um das zu ändern und mehr Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, braucht es die gemeinsame Kraftanstrengung von Staat und Gesellschaft – und zwar von Anfang an. Wie kann mehr Bildungsgerechtigkeit gelingen? Was braucht gute Bildung für alle? Wie kann das Grundrecht auf schulische Bildung umgesetzt und verwirklicht werden?
Namhafte Expert:innen aus Bildungspraxis, bildungswissenschaftlicher Forschung, Rechts- und Gesellschaftswissenschaften haben zu diesen Fragen ein gemeinsames Bildungsmanifest erarbeitet, das zum internationalen Tag der Bildung am Mittwoch, 24. Januar 2024, in der Bucerius Law School in Hamburg der Öffentlichkeit vorgestellt und an Bundesfamilienministerin Lisa Paus übergeben wurde. Die Empfehlungen und Forderungen definieren das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Grundrecht auf Bildung konkret aus und benennen von „Bildungsminimum“ bis „verbindlichem Ganztag“ neun Vorschläge in den drei übergeordneten Bereichen „Was lernen?“, „Wie lernen?“, „Wozu lernen?“. Des Weiteren beinhaltet das Papier vier Umsetzungslinien an die Schulen und schließt mit einem Appell an Politik und gesellschaftliche Entscheidungsträger:innen, sich der großen Aufgabe gemeinsam zu stellen.
Das Bildungsmanifest entspringt der gemeinsamen Bildungs-Initiative der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der Bucerius Law School „Bildung ist Bürgerrecht“, zu der folgende Expert:innen gehören:
Dr. Martina Diedrich, (Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg), Prof. Dr. Felix Hanschmann (Inhaber des Lehrstuhls „Kritik des Rechts – Grundlagen und Praxis des demokratischen Rechtsstaats“ an der Bucerius Law School), Prof. Manuel Hartung (Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS), Prof. Dr. habil. Nina Kolleck (Universitätsprofessorin für Erziehungs- und Sozialisationstheorie an der Universität Potsdam), Prof. Dr. Steffen Mau (Professur für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin).
Prof. Dr. Felix Hanschmann, Leiter des Projekts „Bildung ist Bürgerrecht“ und Inhaber des Lehrstuhls „Kritik des Rechts“ an der Bucerius Law School: „2021 hat das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil das Grundrecht auf schulische Bildung anerkannt. Das Urteil stellt heraus, dass jedes Kind Anspruch auf einen Mindeststandard an schulischen Bildungsangeboten hat. Das Gericht betont, dass finanzielle Engpässe des Staates keine Rechtfertigung für die Unterschreitung dieses Mindeststandards darstellen. Der Ausgleich von Benachteiligungen in unserem Bildungssystem ist die zentrale Aufgabe für Bildungssteuerung und Bildungspolitik, weil an Bildung mehr hängt als Wissen nämlich Lebenschancen, Selbstverwirklichung und politische Teilhabe. Bildungsgerechtigkeit ist damit auch essenziell für unsere Demokratie.“
Prof. Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS: „Spätestens nach dem Pisa-Schock 2023 muss allen Verantwortlichen klar sein: Ein „Weiterso“ ist eine fahrlässige Gefährdung der Bildungszukunft unseres Landes – und fördert die gesellschaftliche Spaltung. Denn nur wenn alle Kinder die gleichen Chancen haben, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger zu werden, können sie auch mündige Entscheidungen in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft treffen. Dafür kämpfen wir als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS seit Langem und bringen mit dem Bildungsmanifest unsere Expertise zu mehr Bildungsgerechtigkeit ein. Wir brauchen jetzt gemeinsame Anstrengungen und Mut, strukturelle Benachteiligungen von Schülerinnen und Schülern im Bildungssystem abbauen. Denn nur gemeinsam mit Politik, Schulen und Gesellschaft können wir diese notwendigen Maßnahmen im deutschen Schulsystem umsetzen. Wir alle sind verantwortlich. Für das Grundrecht auf Bildung. Für die Kinder. Und für mehr Gerechtigkeit!“
Das gesamte Bildungsmanifest zum Bürgerrecht auf Bildung finden Sie hier.
Hintergrund zu „Bildung ist Bürgerrecht“:
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 erstmals das Recht auf schulische Bildung von Kindern und Jugendlichen als Grundrecht anerkannt. Wie aber gestaltet sich ein solches Grundrecht? Welche Standards muss das Schulsystem gewährleisten? Welche Schritte führen in eine Zukunft mit gerechter Bildung für alle jungen Menschen? Diesen Fragen widmet sich die gemeinsame Initiative der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der Bucerius Law School: „Bildung ist Bürgerrecht“, die der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Felix Hanschmann, Bildungsrechtler und Inhaber des Lehrstuhls „Kritik des Rechts“ an der Bucerius Law School, unter Beteiligung der Expert:innen Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth, Prof. Dr. Nina Kolleck, Prof. Dr. Steffen Mau, Dr. Martina Diedrich und Prof. Manuel Hartung leitet. Bei der Auftaktveranstaltung im Dezember 2022 sprach Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger mit Wissenschaftler:innen über die Bedeutung und Hintergründe des Grundrechts auf Bildung. Zudem fanden im ersten Jahr seit Start der Initiative weitere Talks zu zentralen Fragen des Grundrechts statt, u.a. mit Hamburger Bildungspolitikerinnen und schulpolitischen Sprecherinnen der SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke, oder mit Prof. Dr. Felix Hanschmann (Bucerius Law School) und Dr. Martina Diedrich (Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg). Der Bildungssoziologe Prof. Dr. Marcel Helbig (Leibniz-Institut für Bildungsverläufe) diskutierte im Rahmen der Initiative zur Privatisierung von Schulen aus soziologischer und rechtlicher Perspektive.
Weitere Informationen auch unter: https://zeit-stiftung.de/themen/thema/81-bildung-ist-buergerrecht