Karl Schiller

Karl Schiller

Karl Schiller (1911–1994) zählt als Wirtschaftspolitiker zu den prägenden Gestalten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen und schon in jungen Jahren von „fast fanatischem Aufstiegswillen beherrscht“, studiert der Hochbegabte Volkswirtschaft in Kiel, Frankfurt, Berlin und Heidelberg. Mit 36 Jahren wird er Universitätsprofessor in Hamburg, ein Jahr später Senator für das Ressort Wirtschaft und Verkehr, er ist damit der jüngste Senator der Stadt. Er macht sich einen Namen als einer der Wegbereiter für die Rückkehr der zerbombten Handelsmetropole auf die Märkte der Welt. Als Rektor der Hamburger Universität (1956–1958) treibt er mit großer Energie den Ausbau der Hochschule voran.

Überragende Intelligenz, rhetorische Begabung, Mut, Zähigkeit und Durchsetzungsvermögen machen Schiller auch bundesweit zum Ausnahme-Politiker. Als Bundeswirtschaftsminister der Großen Koalition von 1966 bis 1969 gelingt es ihm, die Wirtschaft der Bundesrepublik durch eine gezielte Erhöhung der Staatsausgaben aus der ersten großen Rezession in einen „Aufschwung nach Maß“ zu führen. Schnell wird er zu einer der einflussreichsten und prominentesten Figuren in Willy Brandts Regierung. Sein Biograf Uwe Bahnsen nennt Schiller „den mächtigsten Ökonomen der Republik“. Mit der Fähigkeit, einprägsame Metaphern zu formulieren, gepaart mit seinem profunden ökonomischen Wissen und einem ausgeprägten Realismus versteht er es, Wirtschaftspolitik verständlich, populär und greifbar zu machen. Seine keynesianische Wachstumspolitik bringt er auf die Formel: „Die Pferde müssen wieder saufen.“

Auf dem Höhepunkt seiner politischen Laufbahn ist Schiller 1971/72 als Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen einer der mächtigsten Männer der Republik mit weltweitem Ansehen. 1972 findet die steile politische Karriere des "Superministers" ein jähes Ende, auch wegen fehlenden Stallgeruchs in der SPD, so Bahnsen. Karl Schiller tritt im Juli 1972 zurück. Er wird zu einem gefragter Wirtschaftsberater und handelt dabei immer getreu seinem Motto: „Stabilität ist nicht alles, aber ohne Stabilität ist alles nichts.“

Für Karl Schillers Lebensleistung hat Hamburg eine besondere Bedeutung. Hier beginnt sein politisches Engagement in der SPD, hier festigen sich seine wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen und hier bietet sich ihm als erfolgreicher Wirtschaftssenator die Möglichkeit, die Durchsetzbarkeit eigener Konzepte zu erproben.

Nicht ohne Bewunderung schildert der Autor Uwe Bahnsen die triumphalen, aber auch tragischen Phasen in Schillers Leben, einen brillanten Kopf, der auch schwierig und unbequem war.

Bahnsen, Uwe, Karl Schiller, im Rahmen der Hamburger Köpfe herausgegeben von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2008, vergriffen