Die ZEIT-Stiftung trauert um Theo Sommer

Theo Sommer ist im Alter von 92 Jahren gestorben.

Die ZEIT-Stiftung trauert um Theo Sommer, der von 1973 bis 2014 Mitglied des Kuratoriums gewesen ist und 2001 als erster Dean die Moderation und akademische Leitung der neu gegründeten Bucerius Summer School übernommen hat. Theo Sommer gehörte zu den wenigen Kuratoriumsmitgliedern, die die Stifter Ebelin und Gerd Bucerius noch persönlich gekannt haben.

Die Kolleginnen und Kollegen der ZEIT-Stiftung werden seine präzisen Analysen, klaren Debatten und herzlichen Gespräche vermissen. Sein Wirken war dem Mut zur Debatte gewidmet. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.

Prof. Dres. h.c. Manfred Lahnstein
Nachruf auf einen großen Beobachter

Was war das für ein Quartett, als ich 1984 Mitglied des Kuratoriums unserer Stiftung wurde: Gerd Bucerius, Marion Gräfin Dönhoff, Helmut Schmidt und Theo Sommer! Alle hatte eins ausgezeichnet: Eine herausragende Beobachtungsgabe und dazu die Fähigkeit, das Erfahrene in einen größeren Zusammenhang zu stellen und es in beeindruckende Texte zu gießen.

Das galt in besonderer Weise für Theo Sommer, der nun nach einem langen und prallvollen Leben von uns gegangen ist. Theo war einer der wenigen, die geopolitische Fragestellungen bereits entwickelt haben, als dieser Begriff in Deutschland noch weitgehend unbekannt war. Das und seine persönlichen Erfahrungen haben uns die „Bucerius Summer School“ beschert, die bis heute ein wertvoller Bestandteil unserer Arbeit geblieben ist. Theo war ein unbedingter Verfechter der Meinungs- und Pressefreiheit. Daraus ist unser Einsatz für eine freie Presse in Osteuropa geworden – heute notwendiger denn je, ganz entgegen unseren damaligen, optimistischen Erwartungen. Theo hat die Arbeit des Kuratoriums auf vielfältige Weise bereichert. Und auch nachdem er aus diesem Gremium ausgeschieden war, hat er uns mit seinem Ratschlag und seinem Einsatz bei mehr als einem Projekt wirksam geholfen.

Bis in die jüngste Zeit hinein ist Theo Sommer ein immens kluger und ehrlicher Beobachter geblieben. Seine Bücher über die NATO, das Jahr 1945 oder – zuletzt – über China sind unersetzliche Fundgruben. Er war nicht nur ein herausragender Journalist, sondern ein bedeutender Zeitgenosse für alle, die das Glück hatten, ihn zu kennen.

Ich hatte dieses Glück. Und so möchte ich ihm nachrufen: Großen und herzlichen Dank, Theo!    



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Prof. Dr. Michael Göring
Ein paar persönliche Zeilen zum Tod von Dr. Theo Sommer

„Eine Bucerius Summer School nach dem Muster von Kissingers International Harvard Seminars: Das wäre ein echter Coup für Deutschland.“ Theo Sommer setzte sich wieder. Helmut Schmidt hatte als erster die Überlegungen eines Global Governance Department an der Bucerius Law School in Richtung einer jährlichen Summer School umgelenkt und beide, Schmidt und Sommer, berichteten nun von ihren Kissinger- und Harvard Erfahrungen. Noch an diesem Abend im November des Jahres 2000, am Ende eines großartigen Dinners im Hause Lahnstein zum Abschluss der Herbstsitzung des Kuratoriums, war die Bucerius Summer School beschlossene Sache. Und mit Dr. Theo Sommer war auch der Dean dieser neuen Institution der ZEIT-Stiftung ernannt.

Beide Entscheidungen waren Glückstreffer. Theo Sommer nutzte sein internationales Netzwerk, legte bei der Rekrutierung der Vortragenden, der Politikerinnen und Politiker und der Workshop-Leiter die höchsten Maßstäbe an, ebenso bei der Auswahl der zumeist 55 bis 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus nicht weniger als 25 Ländern. Das Renommé unserer Summer School wuchs extrem schnell.

10 Jahre später joggten Ted und ich am frühen Morgen durch das Chanakyapuri Viertel von Delhi. Die ZEIT-Stiftung hatte mit der Oberserver Research Foundation einen Partner gefunden und veranstaltete erstmals mit Theo Sommer und Shashi Tharoor an der Spitze analog zur Summer School das Asian Forum on Global Governance in Delhi – mit riesigem Erfolg bei den Teilnehmenden und Vortragenden. Ted wusste solche Erfolge zu feiern – und wir feierten nur allzu gern mit ihm mit.

Ich verliere einen persönlichen Freund. In solch einem Moment ist es allemal leichter über den Dean der Summer School zu schreiben, über den Kurator der ZEIT-Stiftung, der schon 1998 die Bucerius Förderpreise für die junge Presse Osteuropas (die heutigen Free Media Awards) auf den Weg gebracht hatte, als über diesen ganz besonderen Mann. Ted konnte auf unnachahmliche Weise – und über Stunden hin – moderieren, leiten, feiern, er motivierte die Teilnehmer, forderte sie heraus, machte einen Witz oder zwei (nicht immer zitierfähig), nahm sich selbst auf die Schippe, war unendlich klug, konnte herrlich unernst sein, war um keine Antwort verlegen, liebte gut platzierte Retourkutschen und verfügte über eine Standfestigkeit bis weit nach Mitternacht, ja nicht selten bis in die Morgenstunden hinein, um die ich, der um 26 Jahre jüngere, ihn immer beneidet habe.

Ted, requiescat in pace.

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Prof. Manuel J. Hartung
Eine persönliche Erinnerung an Dr. Theo Sommer

Der 22. August ist ein trauriger Tag für die ZEIT-Stiftung und die ganze Bucerius-Familie: Dr. Theo Sommer ist verstorben. 

Dies ist eine Nachricht, die uns aufwühlt: „Ted“, wie ihn so viele nannten, war eine der bedeutenden Persönlichkeiten der Geschichte der ZEIT-Stiftung. Als enger Mitstreiter von Gerd Bucerius, war er 19 Jahre Chefredakteur der ZEIT, 41 Jahre Mitglied des Kuratoriums der ZEIT-Stiftung – und er prägte Generationen junger internationaler Führungskräfte als Dean der Bucerius Summer School zwischen 2001 und 2014. Die Stipendiaten der aktuellen „Summer School“, die so viele Jahre eine „Sommer School“ war, haben Teds am Montagabend in Salem bei Ratzeburg gedacht.

Theo Sommer wurde 92 Jahre alt, und war doch zeitlebens so viel jünger. „Die vielerlei Herausforderungen – zumal die Bucerius Summer School“, so schrieb er im Juni 2010 an die Stiftung, „haben mich jung gehalten, der Geburtsurkunde zum Trotz“.

Ich bin Theo Sommer erstmals 2006 begegnet, als ich, damals 25 Jahre alt, bei der ZEIT gerade gemeinsam mit Thomas Kerstan und Malin Schulz „ZEIT CAMPUS“, das Studierendenmagazin, aufbaute. Wir sprachen Ted an, ob er – 75 Jahre, ältester Redakteur, kurz vor seinem 50. ZEIT-Jubiläum – nicht Kolumnist werden könne im seinerzeit jüngsten Magazin der ZEIT. Und er sagte sofort zu. Die Kolumne hieß „Dr. Sommers Aufklärung“, sie versammelte die Schätze aus Ted Sommers Zitatenkasten, und sie vereinte das, was Ted auszeichnete: Sie war konzise, weltläufig – und sie hatte Humor. 

Begegnungen mit Theo Sommer – viele können in diesen Tagen Geschichten wie diese erzählen – spiegeln das wider, das in so vielen Nachrufen dieser Tage hervorgehoben wird: Seine Brillanz, wenn er in Harvard in akzentfreiem Englisch eine Dinnerspeech zur Lage der transatlantischen Beziehungen hielt (und danach noch bis nach Mitternacht in der Bar des Sheraton Commanders mit Zuhörern und Zuhörerinnen saß). Seine Lebensfreude, wenn nach einem Termin um 17 Uhr ein „blonder Whiskey“ folgte, ein IKEA-Glas, das bis zur Griffmulde mit Whiskey, und bis zum Rand mit sprudelndem Mineralwasser gefüllt war. Sein Verstehenwollen, wenn er sich in ein neues Thema eindachte und leidenschaftlich nachfragte. Sein Humor, wenn er einer Besucherin in seinem Büro einen Würfel gab, den er in Japan bekommen habe – und dieser Würfel in so viele Teile zerfiel, dass die Besucherin zwei Tage brauchte, um diesen wieder zusammenzubauen. Seine Herzlichkeit, als er mir zum Amtswechsel bei der ZEIT-Stiftung einige Hinweise mit auf den Weg gab. Er prägte so viele Menschen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung, die Fellows der Summer School, viele tausend Leserinnen und Leser.

Anfang dieses Jahres hat die ZEIT-Stiftung das Archiv von Theo Sommer übernommen – es wird seit April gemeinsam mit den Archiven von Gerd Bucerius und Marion Dönhoff in der Bucerius Law School aufbewahrt und in den kommenden Jahren erschlossen. Es ist ein wirklicher Schatz für Doktoranden, Professorinnen und Professoren und für künftige Forschende – mit Dokumenten der ZEIT-Geschichte und Zeitgeschichte – seine Manuskripte, seine Korrespondenzen und auch die Unterlagen seiner Tätigkeit für die ZEIT-Stiftung.

Theo Sommer war ein großer Analytiker, ein großer Stilist, ein großer Vordenker. 

Die ZEIT-Stiftung wird sein Andenken in Ehren halten. 

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