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Hand in Hand? Über die Beziehung von Recht und Journalismus

Zum Auftakt des Journalistischen Kolloquiums diskutierten Prof. Dr. Doris König und Giovanni di Lorenzo, was es bedeutet, (über) Recht zu schreiben.

„Über allem steht die Pressefreiheit“ – Dieser Satz von Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki hallt nach, als die Präsidentin der Bucerius Law School das Publikum im Auditorium der Hochschule begrüßt. Mit „allem“ meint Boele-Woelki das Verhältnis von Journalismus, Recht und Demokratie. Um über Pressefreiheit und jenes Verhältnis zu diskutieren, sind an diesem Abend Doris König, Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur DIE ZEIT, zusammengekommen. Das Gespräch wurde von Luca Aliza Kleeberg, Law-School-Studentin und Studentische Hilfskraft bei F.A.Z. Einspruch, moderiert und ist hier im Stream einsehbar. Es geht um Hürden und Hilfen, die das Recht für den Journalismus darstellt, und darum, wie die beiden Disziplinen zusammenspielen. Die Veranstaltung markiert den Auftakt zur Reihe des „Journalistischen Kolloquiums“, in der Dr. Heinrich Wefing, Ressortleiter Politik DIE ZEIT, gemeinsam mit Studierenden der Bucerius Law School den Weg vom Jura-Studium in den Journalismus bearbeitet. Dieser Weg, so Präsidentin Boele-Woelki, sei „nicht nur möglich, sondern wertvoll“.

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Sollten und müssen also mehr Jurist:innen zu Journalist:innen werden? Generell seien Kolleg:innen, die ein Fachstudium absolviert hätten, im Journalismus gefragt, erklärt ZEIT-Chef di Lorenzo: „Wir brauchen Juristen und Juristinnen“. Später im Gespräch führt er aber ebenso Beispiele von Journalist:innen an, die sich ohne fachliche Ausbildung in die Disziplin eingearbeitet haben und jetzt eine ausgezeichnete Expertise besitzen – diese braucht es im journalistischen Beruf natürlich allemal. Als größere Aufgabe nicht nur der Journalist:innen wird an diesem Abend deswegen die „Übersetzung“ und verständliche Erklärung von rechtlichen Urteilen hervorgehoben. Themen wie Strafmaße, Zusammenhänge und besonders milde Urteile müssten auch von Jurist:innen „vermittelt werden, wenn [sie] mithelfen wollen, dass durch das Recht auch ein verbindendes Element in der Gesellschaft geschaffen wird“, so di Lorenzo. Die grundlegende Funktion der Presse wiederum sei (auch mit Blick auf die Pressefreiheit), die Mächtigen zu kontrollieren, da sind sich beide Gesprächspartner:innen einig. Umso wichtiger ist deswegen, dass verständliche Informationen in einer vielseitigen Medienlandschaft für alle Menschen verfügbar sind, egal welcher Gruppe diese angehören. Denn: Unklarheit und mangelnde Informationen können bekanntlich zur Extremisierung und Verzerrung von gesellschaftlichen Stimmungen führen. Doris König fasst dazu an anderer Stelle zusammen: „Eines der ersten Dinge, die Rechtspopulisten tun, ist, freie Medien auszuschalten und aufzukaufen (…)“.

Wer aber ist nun für solch eine leicht verständliche Erklärung verantwortlich: Richter:innen und Jurist:innen, die Urteile fällen oder Journalist:innen, die darüber berichten? Vor der Herausforderung, Urteile verständlich zu vermitteln, stehen Jurist:innen nicht nur gegenüber der breiten Öffentlichkeit, sondern auch immer wieder gegenüber Journalist:innen, beschreibt Doris König: Ein 150-seitiges Urteil des Verfassungsgerichts auf acht Seiten Pressemitteilung herunterzubrechen, sei kaum möglich, so die Vizepräsidentin des BVerfG.

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Das Hin- und Herschieben der Verantwortung könne auch mit den Selbst- und Berufsbildern von Jurist:innen und Journalist:innen zusammenhängen. „Juristen sind eine der letzten Hochburgen der Selbstgewissheit“, beschreibt Giovanni di Lorenzo provokativ seinen Blick auf die ihm zufolge mangelnde Erklärbereitschaft von Richter:innen. Auf Widerspruch von König räumt der Chefredakteur aber auch ein, dass für Journalist:innen ebenfalls Demut und Selbstreflexion notwendig seien. Außerdem bedauere er, dass die komplexe Gerichtsreportage als journalistische Form oft aus finanziellen Gründen in den Hintergrund rückt – zu teuer seien für viele Medien die (Reise-) Kosten, um beispielsweise umfangreich über Prozesse wie zu den NSU-Verbrechen zu berichten. Auch König lässt Teile der Kritik an ihrem Berufstand zu: „Gerade Richter (...) sollten über die Fähigkeit verfügen, sich kritisch neben sich selbst zu stellen." Ähnliches erwähnt König auch an anderen Stellen des Abends: „(…) [Richter und Richterinnen] halten sich, was die Kritik an anderen Richtern und deren Urteilen angeht, zurück – das kann man kritisieren“. Und: Man müsse sich besonders in diesem Berufszweig immer der eigenen Verantwortung bewusst sein, betont die Vizepräsidentin zum Ende des Gesprächs. 

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Das trifft auch auf das Themenfeld rund um Social Media zu. Di Lorenzo warnt hierzu, dass klassische Medien „aufpassen müssen, dass wir nicht weiter spalten und vergiften, sondern versuchen die, die noch zu erreichen sind, auch zu erreichen.“ Doris König plädiert für eine Rechtsprechung, die den Personenschutz der realen Welt auf die digitale überträgt. Sie äußert sich ebenfalls besorgt über die Verstärkungswirkung in Teilen von sozialen Medien, die Spaltung fördern und undifferenzierte Sprache verstärken können. Dass sich Sprache in den vergangenen Jahren durch Social Media radikalisiert habe, will di Lorenzo aber nicht bestätigten. Vielmehr vertritt er die bekannte Ansicht, dass Menschen viele Meinungen und Hetze heute lediglich mehr wahrnehmen würden, weil es mehr Orte gibt, um diese zu äußern. „Früher waren wir keine demokratischere Gesellschaft“, lautet sein Fazit.

Social Media als Faktor in der Beziehung von Journalismus, Recht und Demokratie – Dieser Themenkomplex wird ausführlich bei der Abschlussveranstaltung des „Journalistischen Kolloquiums“ beleuchtet. Am 22. Februar diskutieren Dr. Sarah Tacke, Juristin und Leiterin der Rechtsredaktion ZDF, und Prof. Dr. Cornelia Mothes, Professorin für Journalismus und Media Management an der Hochschule Macromedia Leipzig hierzu ebenfalls in der Bucerius Law School. Weitere Informationen hier.