2023 im Bucerius Kunst Forum: Raum für große Künstlerinnen

Das Ausstellungsprogramm des Hauses feiert in 2023 Frauen aus über 300 Jahren Kunstgeschichte.

Was ist die Aufgabe eines Ausstellungshauses? Hochqualitative Kunst zu zeigen? Gesellschaftspolitische Fragen thematisieren? Stadtkultur definieren? Auf das Hamburger Bucerius Kunst Forum, das den gesellschaftlichen Austausch schon im „Forum“-Namen trägt, treffen alle drei Aufgaben zu. So startet das von der ZEIT-Stiftung gegründete Kunsthaus in ein neues Jahr voller großer Premieren und schaut dabei ausschließlich auf weibliche Künstlerinnen. Diese und mehr Pläne haben Prof. Dr. Andreas Hoffmann, Dr. Kathrin Baumstark und Prof. Manuel J. Hartung beim Jahrespressegespräch des Ausstellungshauses verkündet.

„Innenstädte sind zu schwierigen Orten geworden“, sagt Prof. Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius – und das gilt besonders für Kulturinstitutionen wie Museen in Pandemie-Zeiten. Offene, für jede:n zugängliche Veranstaltungen des Forums haben aber schon in diesem Jahr gezeigt, wie ein Kunsthaus interaktiv neue Zielgruppen in die Innenstadt einladen kann. Students Art Night, Kopfhörerpartys oder Panel-Diskussion – von diesen Angeboten wird es am Hamburger Alten Wall 12 in 2023 noch mehr geben.

Die Werke sprechen für sich: Gabriele Münter, Lee Miller und geniale Frauen im Kunst Forum

Einen Rahmen für solche Attraktionen bietet auch der inhaltliche Schwerpunkt, den das Bucerius Kunst Forum in seinen Ausstellungen für 2023 setzt. Die Ausstellungen des kommenden Jahres widmen sich ausschließlich weiblichen Künstlerinnen – „mutige, unkonventionelle und selbstbewusste Frauen“, so Prof. Dr. Andreas Hoffmann, Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums – verschiedenster Kunstgattungen aus über 300 Jahren Kunstgeschichte. Rund um die Ausstellungen geht es um Feminismus, Teilhabe, Gleichberechtigung, Einkommen, Familie und Beruf. Am Internationalen Frauentag wird der Eintritt frei sein. Den Anfang im Programm macht die Ausstellung „Gabriele Münter. Menschenbilder“ (11.02.-23.05.2023). Münters Biografie, ihre Verbindung zum Künstler Wassily Kandinsky und der Gruppe „Blauer Reiter“ haben die Wahrnehmung ihrer Werke zum Teil überschattet, so die Direktorin des Bucerius Kunst Forums Dr. Kathrin Baumstark. In der Ausstellung will sie deshalb Münters „Werk für sich sprechen lassen“ und deren Position als zentrale Figur des deutschen Expressionismus hervorheben. Dafür reisen 100 von Münters Werken zum ersten Mal in dieser Form in die Hansestadt. Unter den Gemälden, Druckgrafiken, Zeichnungen, Fotografien und Hinterglasmalereien der „Meisterin des Umriss“ liegt der Fokus auf Münters Porträt-Arbeiten. Fotografien ihrer USA-Reise 1899 finden aber ebenso ihren Platz.

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Gabriele Münter: Bildnis Marianne von Werefkin, 1909, Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Den Sommer widmet das Kunst Forum der Fotografin Elizabeth „Lee“ Miller, deren Biografie wiederum durchaus eine wichtige Verbindung zu ihrer Arbeit zeigt. Die Ausstellung (10.06.-24.09.2023) ignoriert jedoch die Wahrnehmung Millers als Muse des Fotografen Man Ray oder zurückgezogene Künstlerin. Stattdessen geht es um ihren Fotojournalismus als wichtigen Beitrag zur Pressefreiheit. Neben ihrer Arbeit als Fotomodell für die Vogue und als große Surrealistin ist Miller vor allem für ihre während des Zweiten Weltkriegs entstandenen Werke bekannt, ihr Selbstporträt in der Badewanne von Adolf Hitler zählt zu ihren berühmtesten Werken. Als der Krieg ausbrach, verspürte Miller eine Hilflosigkeit, sie muss etwas tun – ein Gefühl, das heute aktueller scheint denn je. Miller habe ihr „Leben riskiert für den Drang nach Warheit, (…) den Drang, zu fotografieren“, sagt Dr. Kathrin Baumstark. Millers Arbeiten zur Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau sind in der Ausstellung mit Content Notes versehen, die Besucher:innen auf die Gewalt der Bilder hinweisen.

BKF_Presse_Lee_Miller_Fire_Masks_1941.jpg (342 KB)Lee Miller: Fire masks, London, 1941 © Lee Miller Archives England 2022

Im letzten Jahresdrittel zeigt das Bucerius Kunst Forum mit „Geniale Frauen. Malerei vom 16. bis 18. Jahrhundert“ (14.10.2023 - 28.01.2024) eine von Dr. Katrin Dyballa kuratierte Sammelausstellung. Hintergrund: Die Frage „Wer sind die Besten (ihrer Zeit)?“ wird selten mit den Namen berühmter Maler:innen beantwortet – kein Wunder, wenn noch bis 1919 keine Frau eine Kunsthochschule als Studentin betreten durfte. Somit widmet sich die Ausstellung in verschiedenen Themenbereichen jenen Frauen, die zum Teil im Schatten ihrer Väter, Männer oder schlicht dem patriarchalen System verschwanden und erst jetzt die nötige Anerkennung bekommen. Vom ersten Selbstporträt, das je ein:e Maler:in erschuf, bis zur Frage, ob nicht vielleicht doch eine Frau hinter berühmten Gemälden der Geschichte steckte, korrigiert die Ausstellung die Darstellung verschiedener Frauen in der Kunstgeschichte. Die Ausstellung ist unterteilt in die Themenbereiche „Bis zur Ehe“, „Malen mit Familie“, „Verlegerinnen und Unternehmerinnen“, „Hofmalerinnen“ und „Künstlerinnen als Lehrende“.

 Weitere Informationen zu den Ausstellungen finden Sie hier.

BKF_Presse_Catharina_van_Hemessen_Selbstbildnis_an_der_Staffelei_1548.jpg (513 KB)Das erste Selbstporträt: Catharina van Hemessen, Selbstbildnis an der Staffelei, 1548, Kunstmuseum Basel, Schenkung der Prof. J.J. Bachofen-Burckhardt-Stiftung 2015