© Collage: ZEIT-Stiftung

Free Media Awards: Das sind die Preisträger:innen 2023

Kampf für Pressefreiheit: Die Free Media Awards 2023 gehen an unabhängige Journalist:innen und Medien aus der Ukraine, Georgien, Belarus und Russland.

Die Journalist:innen Sevgil Musaieva und Yuriy Nikolov (Ukraine) sowie die Redaktionen von OC Media (Georgien), Reform.by (Belarus) und Vazhnye Istorii (Russland) sind die diesjährigen Preisträger:innen der Free Media Awards. Eine besondere Erwähnung finden die Journalist:innen, Fotograf:innen und Medienschaffenden, die in Ausübung ihrer Tätigkeit ums Leben gekommen sind.

Die Preisverleihung findet am Donnerstag, den 14. September 2023, in Hamburg statt.

Die Free Media Awards werden jährlich von der norwegischen Stiftelsen Fritt Ord zusammen mit der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius vergeben. Mit den Preisen wollen die beiden Stiftungen die unabhängige Berichterstattung in Osteuropa stärken und Journalist:innen und Redakteur:innen ermutigen, ihre Arbeit trotz Bedrohung und gewaltsamer Unterdrückung fortzusetzen. In diesem Jahr hebt die Jury besonders die Rolle der Medien in der Kaukasusregion hervor und betont die Bedeutung des investigativen Journalismus während des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Krisen in Belarus.

Über die Preisträger:innen

Sevgil Musaieva

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Die ukrainische Journalistin Sevgil Musaieva erhält einen Free Media Award für ihre Arbeit als Chefredakteurin der Ukrainska Pravda (Ukrainische Wahrheit). Die im Jahr 2000 von Georgi Gongadze gegründete Online-Zeitung ist eines der größten unabhängigen Medienunternehmen in der Ukraine. Musaieva ist seit 2014 Chefredakteurin. Nach dem Eigentümerwechsel im Jahr 2021 haben Musaieva und die Redaktion den unabhängigen und kritischen Journalismus beibehalten und die investigativen Berichte bleiben ein wichtiger Bestandteil der Zeitung. Infolge der russischen Invasion im Februar 2022 rief Musaieva eine englischsprachige Version ins Leben und stellte damit sicher, dass auch Leser:innen jenseits der ukrainischen Grenzen Zugang zu einer qualitativ hochwertige Berichterstattung über den Krieg und seine Folgen haben.

Musaieva begann ihre Karriere als Finanzjournalistin, unter anderem für Forbes Ukraine, wo sie zur Korruption von hohen Beamt:innen und Abgeordneten recherchierte. Nach der russischen Besetzung der Krim war Musaieva – selbst Krimtatarin – Mitbegründerin von CrimeaSOS, einer Facebook-Seite zur Unterstützung von Geflüchteten und mit gesicherten Informationen über die Lage auf der Halbinsel. Kürzlich führte sie außerdem eine Reihe von Interviews mit einflussreichen Politiker:innen und moderiert den UP.Chat, eine wöchentliche Diskussion mit Journalist:innen zu den Themen Krieg, internationale Beziehungen und Korruptionsbekämpfung. Im Jahr 2022 wurde sie vom Time Magazine zu einer der 100 einflussreichsten Personen des Jahres ernannt.

Yuriy Nikolov

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Yuriy Nikolov
, Mitbegründer des Projekts Nashi Hroshi (Unser Geld) kommt aus der Ukraine und erhält den Free Media Award für seine Recherchen zum Thema Korruption. Der Journalist hat vor allem in Dzerkalo Tyzhnia, einer der einflussreichsten Wochenzeitungen der Ukraine, Enthüllungsberichte veröffentlicht. Anfang 2023 erregte Nikolov mit seiner Recherche zu überteuerten Lebensmittellieferungen an ukrainische Militäreinheiten Aufmerksamkeit. Das ukrainische Verteidigungsministerium hatte Verträge zu Preisen abgeschlossen, die zwei- bis dreimal so hoch waren wie üblich. Nach der Veröffentlichung seines Berichts wurde der stellvertretende Verteidigungsminister entlassen und die Lebensmittelpreise deutlich gesenkt. Mit seinen Recherchen zur Korruption während des Krieges hat Nikolov gezeigt, wie wichtig die Arbeit investigativer Journalist:innen auch in dieser sensiblen Zeit ist.

OC Media

OC Media, eine unabhängige Online-Nachrichtenplattform mit Sitz in Tiflis, Georgien, ist eines der wenigen Medien, die sich der Berichterstattung über politische Entwicklungen in der gesamten Kaukasusregion widmen. OC Media veröffentlicht auf der eigenen Website in englischer Sprache und erreicht das lokale Publikum durch Partnerschaften mit lokalen Medien in der gesamten Region, die die Inhalte von OC Media auf Georgisch, Armenisch, Aserbaidschanisch und Russisch veröffentlichen. OC Media berichtet über komplexe Themen wie häusliche Gewalt, die Bedrohung von LGBTI-Personen und Verleumdungskampagnen gegen diejenigen, die sich gegen den Krieg aussprechen. Die Redaktion publiziert auch zu den erheblichen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in der Kaukasusregion. So berichten sie beispielsweise über Männer, die in den nordkaukasischen Republiken eingezogen werden, um in der Ukraine zu kämpfen oder darüber, wie Migration aus Russland das Leben in Georgien und Armenien beeinflusst. Nennenswert ist auch die Berichterstattung über Protestbewegungen, wie die Demonstrationen gegen den Gesetzesentwurf des Foreign Agent Law in Georgien im März 2023, die OC Media mit Fotoreportagen begleitet hat. Hinzu kommen Berichte über Regionen wie Abchasien und Nachitschewan. Die Plattform wurde 2017 von Mariam Nikuradze und Dominik Cagara gegründet.

Reform.by

Fyodar Pauluchenka EIC.jpg (237 KB)Reform.by-Chefredakteur Fyodar Pauluchenka

Das Online-Medienprojekt Reform.by wird mit einem Free Media Award für seine Berichterstattung über Belarus unter besonders schwierigen Bedingungen ausgezeichnet. Die Plattform wurde 2016 von Chefredakteur Fyodar Pauluchenka gegründet. Im Jahr 2021 wurde Reform.by vom Informationsministerium blockiert – ein Schicksal, das alle unabhängigen belarussischen Medienangebote teilen – und die Redaktion musste das Land verlassen. Reform.by ist es jedoch gelungen, mit Informant:innen in Belarus in Kontakt zu bleiben und ihre Arbeit mit großen Risiko fortzusetzen. Neben ausführlichen Interviews, Kommentaren und einer Vielfalt von Stimmen zeichnet sich die Plattform nicht zuletzt durch ihren investigativen Journalismus aus. Reform.by bietet nicht nur Nachrichtenberichterstattung, sondern ist auch eine Plattform für die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der belarussischen Gesellschaft im Zuge der Proteste 2020. Das Projekt „Pyataya Respublica“, kuratiert von Olha Shparaha, ist dafür ein Beispiel.

Vazhnye Istorii

RomanAninIStories.jpg (79 KB)IStories-Gründer Roman Anin

Die Herausforderungen des Exiljournalismus kennt auch die Redaktion von Vazhnye Istorii (Wichtige Geschichten, kurz: IStories). Die unabhängige russische Website wurde 2020 von Roman Anin, einem ehemaligen Reporter der Novaya Gazeta, gegründet. Zwei Jahre später musste IStories seine Aktivitäten in Russland einstellen, nachdem die Plattform von der russischen Regierung als „ausländischer Agent" und „unerwünschte Organisation" eingestuft worden war und der russische Geheimdienst Razzien in der Redaktion und in der Wohnung von Anin durchgeführt hatte. Die Redaktion von IStories befindet sich jetzt in Europa und berichtet von dort unabhängig. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf das Gesamtgebiet der Ukraine hat sich IStories auf die Recherche russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine fokussiert. So hat die Redaktion die Namen und Identitäten ukrainischer Kinder recherchiert, die aus der Ukraine entführt und nach Russland gebracht wurden und berichtete erst kürzlich darüber, wie fast 2500 ukrainische Waisenkinder gewaltsam nach Russland deportiert worden sind. Eine andere Recherche hat aufgedeckt, wie Kasachstan trotz internationaler Sanktionen Nachschub für die russische Kriegsmaschinerie liefert. Die Plattform setzt sich zudem stark für die Zusammenarbeit mit anderen internationalen und regionalen Medien ein, so waren Journalist:innen von IStories Teil des Recherchenetzwerkes, das die Pandora Papers veröffentlicht hat.

Über die Jury
Internationale Institutionen und Organisationen, die in Osteuropa tätig sind, sowie Osteuropa-Expert:innen nominieren jedes Jahr unabhängige Journalist:innen und Medien; anschließend wählt eine internationale Jury die Preisträger:innen aus. Der Jury gehören an: Ane Tusvik Bonde, Senior Advisor der Human Rights House Foundation, Alice Bota, Osteuropa-Reporterin der ZEIT, Juri Durkot, ukrainischer Journalist und Übersetzer, Martin Paulsen, Leiter des Fachbereichs Fremdsprachen an der Universität Bergen, und Silvia Stöber, Reporterin und Redakteurin der ARD-Tagesschau.

Juri Durkot hat sich bei den Beratungen und Abstimmungen der Jury über die russischen Nominierten der Stimme enthalten.