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Nicolaus Treu und Catharina Treu: Portrait der Catharina Treu mit Früchtekorb, 1771, © Museen der Stadt Bamberg, Historisches Museum
„Geniale Frauen“ im Bucerius Kunst Forum

Knapp 500 Gäste kamen zur Eröffnung der neuen Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“ am Freitagabend, 13. Oktober 2023, ins Bucerius Kunst Forum in Hamburg, um 30 herausragende Künstlerinnen und ihre über 150 beeindruckenden Werke zu sehen. Die Ausstellung folgt auf die Werkschauen zur Kriegsfotografin Lee Miller und der Expressionistin Gabriele Münter, mit denen das Bucerius Kunst Forum über das ganze Jahr weibliche Künstlerinnen in den Fokus nimmt.

Am sechsten Tag nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel stand die Eröffnungsfeier unter den Eindrücken des barbarischen Terrors, zu dem die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und der Vorstandsvorsitzende der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, Manuel J. Hartung, in ihren Eröffnungsreden Stellung bezogen.

Konzept der Ausstellung „Geniale Frauen“

Die neue Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“ präsentiert die großartigen Werke von 30 Künstler:innen, namhaften wie zu unrecht unbekannten, und macht sie und deren Werdegang vom 16. bis zum 18. Jahrhundert sichtbar. Die Ausstellung wurde von Katrin Dyballa kuratiert; Direktorin des Bucerius ist Kathrin Baumstark. Baumstark sagte in ihrer Rede zur Eröffnung, es sei evident, wie wenig Frauen in Ausstellungen in Museen vertreten sind und betonte: „Das wird geändert.“ Und weiter: „Ich werde heute noch manchmal gefragt: Braucht es sowas wie ein Jahr der Frauen? Ist es überhaupt nötig, Künstler:innen in den Fokus zu stellen? Wir sind doch schon gleichberechtigt.“ „Bei diesen Fragen und Aussagen werde ich […] auch ein bisschen wütend und laut.“ Es genüge ein Blick auf aktuelle Diskussionen und Begriffe, etwa den problematischen Vorwurf der „Vergewaltigung der deutschen Sprache“, der im Rahmen der Gender-Debatte von entsprechender Seite aufkomme. „Eine Sichtbarkeit von Weiblichkeit in der deutschen Sprache möglich zu machen und das mit dem Begriff der Vergewaltigung niederzumähen, finde ich furchtbar, unfassbar und untragbar.“ Baumstark verwies auf weitere aktuelle Beispiele zu Kämpfen der Gleichstellung, wie die zum Auftrieb der rechtsextremen AFD in Deutschland und deren Parteiprogramm, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Frage stellt, sowie jene um die Diskussion des Kuss' beim Finale der Fußball WM der Frauen in diesem Jahr. „Das 2023 – die Fragen beantworten sich damit von selbst.“

Kuratorin Katrin Dyballa gab abschließend Einblicke in die Konzeption der Werkschau: „Mir war es ein Anliegen nicht nur in Vergessenheit geratene Künstlerinnen wieder sichtbar zu machen, sondern auch aufzuzeigen, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen Sie ihren Weg finden mussten. (...) Die Werke der Künstlerinnen (...) sind nach jeweils einem wichtigen Aspekt ihrer Biografie gegliedert. So gab es Künstlerinnen, die bewusst ohne Ehemann lebten, andere waren bis zur Ehe als Malerin aktiv, wiederum andere malten erfolgreich mit Familie. Es gibt Künstlerinnen am Hof und eine eigene Sektion, die Frauen und die Druckgrafik vorstellt – denn auch in diesem Metier waren sie äußerst erfolgreich!"

Erstmals wird durch die Ausstellung also der individuelle, familiäre Kontext, in dem die Künstlerinnen ihre Karrieren verfolgten, thematisiert und durch die Gegenüberstellung mit Werken ihrer Väter, Brüder, Ehemänner und Malerkollegen greifbar – dabei werden Genie und Pionierinnengeist der damaligen Zeit in den Sound von heute übersetzt. Ein per QR-Code hinterlegter Text macht es möglich. 

Unter den Künstlerinnen sind Anguissola, Judith Leyster, Marietta Robusti (La Tintoretta) und Angelika Kauffmann. Die Vielfalt, Formate und Farben begeistern. Zu sehen sind meisterhafte Porträts, Stillleben und Historien in Malerei, Zeichnung und Druckgrafik von der Renaissance über die Zeit des Barock bis zum beginnenden Klassizismus von über 60 Leihenden aus ganz Europa.

Weltpremiere: Das erste Selbstporträt einer Künstlerin an einer Staffelei

Als Frau eine Künstler:innenkarriere einschlagen? In der Frühen Neuzeit war das nicht unmöglich, aber ungewöhnlich – und zumeist mit hohen Hürden verbunden. Auffallend viele Künstlerinnen dieser Zeit stammten daher aus Künstler:innenfamilien oder heirateten in solche ein. Sie arbeiteten ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern zu und waren nicht selten im Verborgenen tätig. 

Heute oftmals aus der Kunstgeschichte rausgeschrieben, waren die Künstlerinnen ihrerzeit in jeglichen familiären Konstellationen außerordentlich erfolgreich: Sie waren als Hofmalerinnen, Lehrende, Unternehmerinnen und Verlegerinnen tätig und wurden mit höchsten Auszeichnungen geehrt. Und viele waren Pionierinnen: So schuf Katharina von Hemessen etwa das erste Selbstporträt einer künstlerisch tätigen Person an einer Staffelei überhaupt. Eine Weltpremiere! Lavinia Fontana war als Malerin vor 500 Jahren so erfolgreich, dass ihr Mann, ebenfalls Maler, seine Karriere hintenanstellte und sich um die elf Kinder kümmerte. Oder Rachel Ruysch, die gemeinsam mit ihrem Ehemann ein erfolgreiches Künstlerpaar bildete und für den Düsseldorfer Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz-Neuburg tätig war. 

Gleichstellung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Es sei eine gemeinsame Aufgabe, für Frauenrechte und Gleichstellung einzustehen, so die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank in ihrer Eröffnungsrede. Umso dankbarer sei sie für diese Ausstellung, die Frauen und ihre Erfolgsgeschichten sichtbar macht, damit Vorbilder zeigt und Mut macht.  Auch Manuel Hartung betonte: „Im Ausstellungskatalog heißt es: ,Die Kunstgeschichte wurde von Männern für Männer über Männer geschrieben.’ Es ist an uns, auch andere Geschichten zu schreiben.“ 

Die Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten“ läuft ab sofort bis zum 28. Januar 2024 und wird von vielfältigen Veranstaltungen begleitet. Tickets sind im Online-Shop oder direkt an der Kasse erhältlich. Außerdem gibt es einen Multimedia-Guide speziell für Kinder. Im Anschluss wird die Ausstellung vom 2. März bis 30. Juni 2024 im Kunstmuseum Basel gezeigt.

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