„Es ging eigentlich immer um Kunst, um Gesellschaft, um Politik“, sagt die Galeristin Nicole Hackert. Während die Sonnenstrahlen durch das Milchglas in den Moot Court der Bucerius Law School in Hamburg scheinen, spricht Hackert über ihre Begegnungen mit dem Kunstsammler Harald Falckenberg, der im Zentrum dieses Auftakt-Abends der Veranstaltungsreihe „Hinter den Bildern. Gespräche über Kunst, Recht und Gesellschaft“ steht. Der Moderator und Kulturjournalist Ralf Schlüter hatte die Talk-Runde auf der Bühne gerade nach ihren Schlüsselerlebnissen mit dem berühmten Kunstsammler gefragt. Denn eigentlich hätte Harald Falckenberg heute selbst auf dieser Bühne sitzen und über das Verhältnis von Kunst und Recht sprechen sollen. Als gelernter Jurist, vor allem aber als einer der renommiertesten Kunstsammler des Landes hat Falckenberg die deutsche Kunstszene geprägt. Seine kontrastreiche Biografie zwischen Kultur und Recht bietet nun die Grundlage für die Veranstaltungsreihe, die das Seminarprogramm „Kunst an der Bucerius Law School“ in Hamburg begleitet.
„Es ging um Millimeter“: Ein Abend in Gedenken an Harald Falckenberg
Harald Falckenberg ist im November 2023 im Alter von 80 Jahren verstorben. Statt seiner sitzt auf der Bühne nun seine Witwe, die Amerikanistin und Lektorin Dr. Larissa Falckenberg. Sie teilt das Podium mit Moderator Schlüter, der Berliner Galeristin Hackert und Prof. Dr. Dirk Luckow, Intendant der Deichtorhallen Hamburg, dem Kooperationspartner unserer gemeinsamen Seminar- und Veranstaltungsreihe mit dem Studium generale der Bucerius Law School. Die Deichtorhallen beherbergen seit 13 Jahren auch die Sammlung Falckenberg. In deren imposanten Ausstellungsräumen in Hamburg-Harburg werden die von Harald Falckenberg angeschafften und kuratierten Arbeiten sowie wechselnde Ausstellungen gezeigt. Weit vor der Eröffnung dieser Hallen hatte Falckenberg als gelernter Jurist jedoch ganz andere Positionen inne und war unter anderem als Verfassungsrichter aktiv. An diesem Abend geht es deshalb um die seltene Art und Weise, wie Harald Falckenberg Kunst und Recht zu vereint haben scheint – besonders auch in seiner Leidenschaft für Tiefgründigkeit und Genauigkeit. Im Schreiben von Texten und Hängen von Bildern sei Falckenberg gleichermaßen auf Präzision bedacht gewesen, erinnert sich Larissa Falckenberg: „Es ging um Millimeter“.
Vielleicht half dieser Scharfsinn Harald Falckenberg auch bei den von ihm geschätzten kontroversen und komplexen Diskussionen. „Das Schöne, Gute und Wahre in der Kunst interessiert mich nicht besonders. Den Künstlern geht es um die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Und die kann hässlich ausfallen“, sagte er einst. Die eigene Arbeit als Sammler und Kurator sei für Falckenberg ein „ständiger Regelbruch mit seiner eigenen Wahrnehmung von Kunst“ gewesen, berichtet Dirk Luckow aus vielen gemeinsamen Kollaborationen. So habe Falckenberg auch mal Widersprüche erzeugt, unter anderem, als derjenige mit rechtsberuflichem Hintergrund, der aber auch das Werk „Fuck The Police“ von Daniel Richter kaufte. Falckenberg sei weniger auf Sammlungsinteressen wie Restauration und Erhalt bedacht gewesen als vielmehr an Botschaften interessiert, berichtet Nicole Hackert. „Hauptsache, die Aussage stimmte“, so das Motto.
Wo Kunst und Recht einander gegenüberstehen
Bei allem Hang zur Präzision sei aber eben nicht anzunehmen, dass Falckenberg jenen Klischees zugestimmt hätte, dass Kunst immer wild und Recht immer klar sei, mahnt Dirk Luckow. Der Sammler beteiligte sich auch an komplexen Diskursen außerhalb jener um einzelne Kunstwerke – auch an solchen, in denen sich Kunst und Recht unmittelbar gegenüberstanden. So war Falckenberg beispielsweise ein Gegner des Kulturgutschutzgesetzes, das seit 2016 alle bundesweit geltenden Bestimmungen zum Abwanderungsschutz und zur Rückgabe von Kulturgut in einem einheitlichen Gesetz vereinen soll. Ob Falckenberg im Sinne des eigenen Kapitals handelte oder die Interessen von Künstler:innen verfolgte? Darüber diskutieren Hackert, Luckow und Falckenberg an diesem Abend mit Ralf Schlüter ebenso wie über das Verhältnis des Sammlers zu Künstler:innen selbst und die tiefen Freundschaften mit nur wenigen Schaffenden wie Jonathan Meese oder Werner Büttner – letzterer ebenfalls ein gelernter Jurist.
„Hinter den Bildern“: Fortsetzung der Reihe im Herbst 2024
Dass Harald Falckenbergs Leben und Werk viele Anknüpfpunkte für Diskussionen über Kunst, Recht und Gesellschaft bieten, ist am Ende des Abends Publikum wie Panel klar. Die Zuschauer:innen interessieren im Nachgang aber noch viel größere Themen, über die Falckenberg vermutlich auch selbst gern diskutiert hätte: Es geht um Fragen und Grenzen zur Einschränkung der Kunstfreiheit, um Investitionen, um Zukunftsperspektiven und um das Verhältnis von Kunst zu Künstlicher Intelligenz – letzteres diskutieren wir übrigens in unserer weiteren Veranstaltungsreihe „Was macht KI mit…?“ am 16. Mai in Hamburg.
Es sind große Fragen, die die zwischen den Sphären Kunst und Recht zu diskutieren sind – und auf manche dieser Fragen wird auch die Reihe „Hinter den Bildern“ in Zukunft eingehen. Im Herbst 2024 soll die Reihe fortgesetzt werden – weitere Informationen erhalten Sie über unseren Veranstaltungskalender oder über unseren Newsletter.