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© Ulrich Perrey/ZEIT STIFTUNG BUCERIUS
Schülercampus: Der neue Lehrer

Mit einer Traumreise fängt es an: Als Moderator Bernd Fiedler am sonnigen Samstagsvormittag des 10. Juni den ersten Schülercampus im Programm „Mehr Männer in Grundschulen“ eröffnet, bittet er alle Anwesenden, die Augen zu schließen. Wir sollen uns zurückerinnern an die Momente der Grundschule, und vielleicht auch an eine besondere Lehrperson. Falls Sie beim Lesen jetzt mitgereist sind: Haben Sie an eine männliche Person gedacht? Vermutlich nicht, denn: In Hamburg sind fast 90 Prozent der Grundschullehrkräfte weiblich. Ein Zahlenstand, den die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und die Hamburger Schulbehörde neugestalten wollen. Hier setzt das Programm „Mehr Männer in Grundschulen“ an, das in Form von Schülercampus-Veranstaltungen, Expert:innen-Gesprächen und weiteren Angeboten vor allem Männer vom Beruf des Grundschullehrers überzeugen möchte.

„Wir brauchen die Lehrkräfte“, sagt dazu beim Schülercampus Beate Proll, Leiterin Vielfalt, Beratung und Prävention am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Die Grundschule, erklärt sie, stelle die Weichen für die Kernkompetenzen eines jeden Menschen. Und für chancengerechte Bildung, fügt Marcella Christiani hinzu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS. Mit dem Beruf des Grundschullehrers können auch Männer einen Job aufnehmen, der selbstwirksam ist, aber auch die Verantwortung von einer Form der Care-Arbeit unter Geschlechtern neu verteilt. Die Teams der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und des Landesinstituts sind an diesem Samstag deshalb mit Grundschullehrer:innen und Expert:innen in der Bucerius Law School in Hamburg zusammengekommen, um Schülern, Studenten und Quereinsteigern alle wichtigen Infos rund um das Grundschullehramt zu vermitteln. Mit Prof. Dr. Eva Arnold, Dekanin der Fakultät Erziehungswissenschaft, ist auch die Universität Hamburg vertreten. Dr. Arnold erklärt umfangreich, was zum Studium des Grundschullehramts gehört, wie lange die Ausbildung dauert und welche inhaltlichen Wahlmöglichkeiten es bei Fächern gibt.

Hier fängt alles an: Grundschullehrer als Inspiration und Identifikation

Gleich zu Beginn ihrer Info-Präsentationen kommt von Seiten der Schüler aber eine viel grundlegendere Frage: „Welchen Numerus Clausus brauche ich, um Grundschullehramt zu studieren?“, will Abiturient Ibrahim wissen. Der NC für Grundschullehramt liegt aktuell bei ca. 2,0 – Interessierte sollten aber in jedem Fall versuchen, einen Studienplatz zu erhalten, lautet eine Antwort. Ibrahim beschäftigt sich schon länger damit, wohin ihn sein Weg nach dem Abitur führen wird. „Bisher interessiere ich mich für Sozialpädagogik, Lehramt ist neu dazugestoßen“, erzählt er. „Ich wollte heute einfach mal wissen: Liegt mir das? Mache ich lieber Grundschule oder Sekundärstufe?“ Die theoretischen Infos beim Schülercampus haben Ibrahim jedenfalls schon dabei geholfen, neugierig auf die Arbeit in der Grundschule zu werden – beim Campus hat er sich direkt mit Grundschullehrer Can-Yavuz Yörenc vernetzt und ein mögliches Praktikum vereinbart. Yörenc berichtet den Schülern am Vormittag aus erster Hand vom Alltag in der Grundschule – und welche komplexen, spannenden und wichtigen Aufgaben damit auf sie warten könnten. Das Besondere am Beruf sei, dass man zwar an einen Lehrplan gebunden ist, aber auch viele Freiheiten habe, um zu Beispiel – wie Yörenc selbst – weitere Aufgaben zu übernehmen, zum Beispiel als interkultureller Koordinator. Das Schönste aber sei für ihn, im Leben der Kinder „früh mitwirken“ und wie bei „Knetmasse“ mitformen zu können, erzählt Yörenc. Auch darin sieht Schüler Ibrahim für sich Chancen: „Ich habe halt eine Migrationsgeschichte und ich denke, ich kann Kindern von klein an viel mehr mit auf den Weg geben. Wenn sie groß sind, haben sie die Problematik des „Andersseins“ schon ein wenig aufgearbeitet. Für die kleineren Geflüchteten und Migranten bin ich dann der bessere Ansprechpartner und sie können sich vielleicht besser mit mir identifizieren.“

Ein solch klares Bild haben die Schüler Villarni und Oliver noch nicht ganz vor Augen – sie sind beim Schülercampus dabei, um sich grundlegend zu informieren. Zwölftklässler Oliver hat sich schon viele Studiengänge angeschaut – von Medizin über Journalismus bis Fotografie. Aber auch das Grundschullehramt ist eine Option, und Oliver ist froh, heute schon viele Fragen beantwortet zu wissen. Sein Mitschüler Villarni wiederum erzählt: „Ich habe bisher ein Praktikum im Kindergarten gemacht, aber schon gemerkt, dass die ganz Kleinen nicht so etwas für mich sind. Ich möchte trotzdem in die Richtung ,Soziales‘ gehen“. Er fände gut, dass man sich beim Campus spontan mit Fragen einbringen könne, lobt Villarni, und „dass etwas Externes stattfindet, wie die Rap-Performance“. Damit mein Villarni den Auftritt des 10-jährigen Selem aus Neugraben. Selem ist Teil des ebenfalls von der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS geförderten Projekts „HipHop-Academy“. Als Showact im Programm performt Selem beim Schülercampus mit seinem Mentor und Rapper André Schnabel mehrere selbstgeschriebene Songs, die in Kombination mit Selems Bühnenpräsenz gestandene Rapper sprachlos dastehen lassen würden – und die Anwesenden erkennbar berühren.

Und, wie läuft's? Berichte aus der Praxis

Am Nachmittag folgt mehr Austausch in Kleingruppen und weitere Einblicke aus der Praxis – zum Beispiel von Lehrern im Vorbereitungsdienst (Referendariat), von Carola Heffenmenger, Leiterin des Zentrums für Lehrerbildung Hamburg, oder von Prof. Dr. Michael Tunç aus dem Department Soziale Arbeit der HAW Hamburg. In interaktiven Gruppenarbeiten sprechen die Teilnehmer mit Lehrern und den Expert:innen auch darüber, was einen „guten Grundschullehrer“ ausmacht und wie nächste Schritte auf dem Weg zum Studium und Beruf aussehen könnten. Und während das individuelle Entscheidungen für jeden Neugierigen sind, bleiben die nächsten Schritte im Projekt „Mehr Männer in Grundschulen“ ganz klar: Auf diesen Schülercampus werden – neben weiteren Projektinitiativen – noch weitere folgen, um eine nachhaltige Wertschätzung und Motivation zu schaffen, das spannende Grundschullehramt neu zu gestalten – unter allen Geschlechtern.

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