Wer eine Stiftung gründet, will damit etwas bewirken: ein Herzensthema vorantreiben, gemeinnützige Zwecke unterstützen, der Gesellschaft etwas zurückgeben. Akademische Exzellenz, Juristenausbildung, Pressefreiheit, Bildung, Kunst. Bei der Vielzahl an Herzensthemen und Ideen fällt die exakte Festlegung und Eingrenzung des Stiftungszwecks einem Tausendsassa doppelt schwer: So ging es auch unserem Stifter Gerd Bucerius, der im Jahr 1971 die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS gründete.
Bundesminister a. D. Manfred Lahnstein, seit 1984 Mitglied und von 1995 bis 2019 Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, erinnert sich an die gemeinsamen Jahre: „Ein Thema, das wir immer wieder besprochen haben, war die Satzung. Gerd Bucerius war unschlüssig, wie wir die Stiftung final ausrichten sollten. In unserer gemeinsamen Zeit kam er mindestens drei oder vier Mal mit einem neuen Satzungsentwurf an.“
Immer wieder mit neuen Einfällen und Ideen, Gedanken. Eine Eigenheit, die nicht jedem gefiel. Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt zum Beispiel, auch er damals Kuratoriumsmitglied, hat das schon einmal geärgert, erzählt Lahnstein.
Im Freundeskreis nannte man ihn „die Grille“
Die gedankliche wie physische Bewegungsfreude des Stiftungsgründers und Zeitungsverlegers waren auch in der ZEIT-Redaktion bekannt. „Er hatte so eine besondere Art, wenn er sich von jemandem verabschiedete. Er gab einem die Hand und schob einen dabei schon wieder aus dem Büro heraus“, erinnert sich Haug von Kuenheim, der 1963 zu der Wochenzeitung DIE ZEIT kam und viel beruflichen Kontakt zu Bucerius hatte.
Doch Bucerius‘ Rastlosigkeit hatte vor allem ihre guten Seiten. Die Wegbegleiter:innen, mit denen wir gesprochen haben, beschreiben ihn als spontan, neugierig, offen für Neues – und als äußerst anregenden Gesprächspartner.
Letzteres betont vor allem Brigitte Lichtenauer-Blumenfeld. In den 1980er Jahren trafen sie und ihr Mann regelmäßig Ebelin und Gerd Bucerius. „Im Freundeskreis hatte er den Spitznamen ‚die Grille‘ “, sagt sie. „Er hüpfte immer. Dieser Mann war eine einzige Bewegung, auch in Gedanken. Das hat mich fasziniert.“ Die gedanklichen Sprünge, die sie in gemeinsamen Gesprächen machten, gefielen der Anwältin Lichtenauer-Blumenfeld. „Eine Unterhaltung mit ihm machte Spaß, war anregend, weil er so diskussionsfreudig war.“
„Von den neuen Medien wäre er begeistert“
Dazu passt eine weitere Vermutung des ehemaligen ZEIT-Redakteurs Benedikt Erenz: „Von den neuen Medien wäre er begeistert. Er würde wahrscheinlich von morgens bis abends twittern.“ Ob das so stimmt, darüber können wir nur spekulieren. Schon der mitunter raue Umgangston in den sozialen Netzwerken (neben vielen anderen kritischen Aspekten) hätte ihn vermutlich eher abgeschreckt. Denn wie Manfred Lahnstein betont: „Er war immer höflich und korrekt, blieb stets beim Hamburger Sie.“
Fest steht: Gerd Bucerius war ein umtriebiger Mann, der mit seiner Neugier und seinem Ideenreichtum vieles im Verlagsgeschäft anschob, Anteile oder ganze Magazine wie die Wirtschaftswoche aber auch wieder verkaufte, schließlich die Gründung der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS voranbrachte. Der Wochenzeitung DIE ZEIT blieb er durch alle Höhen und Tiefen immer besonders verbunden. Begleitet und unterstützt wurde er dabei von seiner Frau: Anna Gertrud Bucerius, genannt Ebelin. Mit ihrer Person und ihrer Rolle im Zeitungsgeschäft beschäftigen wir uns in der nächsten Ausgabe unserer Reihe.
Über die Artikelserie:
Am 19. Mai 1906 wurde Gerd Bucerius in Hamm geboren. Er wäre jetzt 119 Jahre alt. Im September 2025 jährt sich sein Todestag zum 30. Mal. Seine zweite Ehefrau Anna Gertrud, genannt Ebelin, starb zwei Jahre nach ihm, im Juli 1997. Wir haben die Jahrestage zum Anlass genommen, mit Weggefährt:innen zu sprechen, die sich an Ebelin und Gerd Bucerius erinnern. Wie war der Jurist, Politiker und Verleger Gerd Bucerius als Mensch? Warum war Ebelin Bucerius so wichtig für den Erfolg der ZEIT und der Stiftung? Und wie würden die beiden heute auf die Arbeit der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS blicken? Diese und weitere Fragen wollen wir in unregelmäßigen Abständen reflektieren. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind.
Weitere Informationen zu Ebelin und Gerd Bucerius finden Sie hier.