Wir als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und die norwegische Stiftung Fritt Ord vergeben in diesem Jahr die Free Media Awards an sechs Journalist:innen und Medien in Ost- und Mitteleuropa – in Anerkennung ihrer mutigen investigativen Berichterstattung unter äußerst schwierigen Umständen. Die autoritären Regime in der Region weiten ihren Einfluss aus. Zwei der diesjährigen Preisträger:innen wurden 2025 aufgrund ihrer journalistischen Arbeit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Ausgezeichnet mit den Free Media Awards werden:
- Die Medien-Plattform Gwara Media aus der Ukraine
- Mzia Amaglobeli, Journalistin and Media-Gründerin aus Georgien
- das investigative Online-Media Outlet Direkt36 aus Ungarn
- die Fotografin and Fotojournalistin Alexandra Astakhova aus Russland
- der Medienkanal Belarusian Investigative Center (BIC) aus Belarus
- die Journalistin Nargiz Absalamova aus Aserbaidschan
„Für ukrainische Journalistinnen und Journalisten bedeutet Krieg, unter Bedingungen zu berichten, die das Überleben gefährden”, sagt Serhii Prokopenko, Chefredakteur von Gwara Media. „Wir berichten nicht nur von der Front, sondern auch über Gefahren für die Demokratie selbst – Desinformation, Korruption und den Rückgang der Zivilgesellschaft. Für regionale Medien wie Gwara ist diese Auszeichnung besonders wichtig, da wir die weltweite Aufmerksamkeit auf lokale Realitäten lenken, die sonst unsichtbar blieben. Der Free Media Award zeigt uns und unserem Publikum, dass selbst in einem brutalen Krieg freier Journalismus möglich und wichtig ist“, kommentiert Serhii Prokopenko weiter.
Die Free Media Awards werden seit 2016 jährlich von der norwegischen Stiftung Fritt Ord zusammen mit uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS vergeben. Mit den Preisen wollen wir die unabhängige Berichterstattung in Osteuropa stärken und Journalist:innen und Redakteur:innen ermutigen, ihre Arbeit trotz Bedrohung und gewaltsamer Unterdrückung fortzusetzen.
Die Preisverleihung findet am Donnerstag, 6. November, im Hamburger Rathaus statt. Zuvor tagt eine begleitende internationale Free Media Konferenz in der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg. Beide Veranstaltungen sind Teil der „Hamburger Woche der Pressefreiheit”, die vom 2. bis 8. November 2025 in der Metropolregion Hamburg über 50 Veranstaltungen rund um das Thema Pressefreiheit, Desinformation und Medienkompetenz anbietet. Die Preisverleihung der Free Media Awards finden jährlich abwechselnd in Oslo und Hamburg statt.
Über die Preisträger:innen der Free Media Awards 2025
Gwara Media (Ukraine)
Die Medienplattform Gwara Media aus Charkiw erhält den Free Media Award für ihre mutige und faktenstarke Kriegsberichterstattung von der Front in der Ukraine. Die Plattform berichtet international über Kriegsverbrechen in der Region Charkiw. Für ihre Beiträge arbeitet sie eng mit lokalen Quellen vor Ort zusammen. Gwara Media dokumentiert dabei auch die sozialen, psychologischen und physischen Folgen des Krieges für die Bevölkerung und macht so Perspektiven sichtbar, die von großen internationalen Medien oft außer Acht gelassen werden. Neben der täglichen Berichterstattung, von der sich Gwara Media trotz Einschüchterungen und aller Gefahren nicht abhalten lässt, engagiert sich die Medienplattform auch in langfristigen Dokumentationsprojekten. Dabei zeichnet sich die Berichterstattung durch besonderen Einsatz von Bildern, Videos und Dokumentarfilmen aus. Unmittelbar nach dem Beginn der Invasion Russlands in der Ukraine initiierte Gwara Media zudem ein Faktencheck-Projekt für die Einwohner der Stadt mit dem Namen: „Perevirka – Do it together”. Als zweitgrößte Stadt der Ukraine ist Charkiw regelmäßig Ziel von russischer Propaganda sowie von Bomben und Streumunition. Serhii Prokopenko, Herausgeber von Gwara Media, gründete die unabhängige Plattform im Jahr 2015. Sie ist die einzige Redaktion in Charkiw, die auf Ukrainisch und Englisch berichtet. Gwara Media liefert ukrainische Perspektiven für das europäische Magazin-Netzwerk „Eurozine“. Gwara Media ist außerdem Mitglied des IFCN, dem International Fact-Checking Network.
Mzia Amaglobeli (Georgien)
Die Journalistin und Medien-Unternehmerin Mzia Amaglobeli ist zum Gesicht des unabhängigen Journalismus in Georgien geworden. Sie erhält den Free Media Award für ihr 25-jähriges Engagement für journalistische Integrität und ethische Standards. In dieser Zeit hat sie zwei der größten seriösen Nachrichtenplattformen des Landes gegründet: Batumelebi und Netgazeti. Beide Nachrichtenportale berichten auf Georgisch. Als Reporterin, Gründerin und Direktorin hat Mzia Amaglobeli insbesondere Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Fehlverhalten der Regierung aufgedeckt und dokumentiert. Ein weiterer Schwerpunkt der Berichterstattung ist der Kampf gegen Desinformation und Propaganda. Die 49-jährige Mzia Amaglobeli wurde im Januar 2025 während einer Protestaktion festgenommen, als sie versuchte, einen Aufkleber anzubringen, der zu einem nationalen Streik aufrief. Nach ihrer Freilassung gegen Kaution wurde sie nach einer Auseinandersetzung mit dem Polizeichef von Batumi unmittelbar erneut festgenommen. Im August wurde sie zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, die von Menschenrechtsgruppen als politisch motiviert beurteilt wird und im Zusammenhang mit ihrem jahrelangen Kampf gegen korrupte Aktivitäten des Regimes stehe. Sie ist die erste weibliche Journalistin in Georgien, die seit der Auflösung der Sowjetunion aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert wurde. Im Januar und Februar trat sie für 38 Tage in den Hungerstreik, um gegen das Vorgehen der Behörden zu protestieren. Ihr Gesundheitszustand ist aktuell kritisch.
Direkt36 (Ungarn)
Direkt36 ist ein investigatives Online-Medium mit Sitz in Budapest, das Machtmissbrauch und Korruption aufdeckt. Die Plattform erhält den Free Media Award für ihre herausragenden Recherchen und Enthüllungen. Direkt36 wurde 2015 von András Pethő, Gergő Sáling und Balázs Weyer gegründet und hat sich zu einer einflussreichen investigativen Multimedia-Plattform entwickelt. Die Beiträge werden auf Ungarisch und Englisch veröffentlicht. Im Februar 2025 veröffentlichte Direkt36 den Dokumentarfilm „A Dinasztia”/„Die Dynastie” über das Finanzimperium der Familie Orbán. Der Film bietet beispiellose Einblicke in Reichtum und Vermögen eines engen Kreies rund um Ministerpräsident Viktor Orbán. Innerhalb von 24 Stunden nach seiner Veröffentlichung wurde der Film auf YouTube eine Million Mal gesehen und bis heute fast 3,9 Millionen Mal aufgerufen. Der Dokumentarfilm hat in Ungarn eine große öffentliche Debatte ausgelöst. Direkt36 steht zudem hinter zahlreichen Berichten über Cyberüberwachung, russische Hackerangriffe oder die Ausbreitung von Infektionenskrankheiten in ungarischen Krankenhäusern. Die Plattform leistet einen aktiven Beitrag zur internationalen journalistischen Zusammenarbeit unter Schirmherrschaft des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und des Organised Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP)und hat bei grenzüberschreitenden Projekten mit Le Monde in Frankreich und dem portugiesischen Expresso zusammengearbeitet. Trotz fortlaufender Angriffe von Politik und staatlich kontrollierten Medien arbeitet Direkt36 entschlossen weiter.
Alexandra Astakhova (Russland)
Die russische Fotografin und Fotojournalistin Alexandra Astakhova erhält den Free Media Award für ihre eindrucksvolle Dokumentation von Gerichtsverfahren gegen politische Gefangene in Russland. Viele unabhängige Journalist:innen und Fotograf:innen haben Russland mit dem Beginn des Angriffskrieg gegen die Ukraine verlassen; viele andere wurden verhaftet und verurteilt oder warten in russischen Gefängnissen auf ihre Gerichtsverfahren. Alexandra Astakhova aber blieb in Russland. Als Freiberuflerin erzählt sie seitdem mit Bildern und Worten die Geschichte von Menschen, die in Zeiten von Russlands Krieg strafrechtlich verfolgt werden. Von 2022 bis 2025 dokumentierte sie so unzählige Prozesse gegen Menschen, die wegen ihrer Arbeit oder ihrer Äußerungen vom Staat verfolgt wurden. Alexandra Astakhova fotografiert das Leben politischer Gefangener für die Weltöffentlichkeit und lässt ihnen dabei stets Würde und Menschlichkeit. Ihre Arbeit ist dabei mit erheblichen persönlichen und beruflichen Risiken verbunden.
Belarusian Investigative Center (Belarus)
Das Belarusian Investigative Center (BIC), das derzeit aus dem Exil in Warschau arbeitet, erhält den Free Media Award für seine tiefgründigen Recherchen, Analysen und Nachrichten. In Bezug auf den investigativen Journalismus hat das BIC neue Standards in Belarus gesetzt. Seit 2020 konzentriert sich das BIC neben der Aufdeckung von staatlicher Korruption und Fake News darauf aufzudecken, wie verschiedene Akteur:innen in der Region die Sanktionen umgehen, die aufgrund des russischen Krieges in der Ukraine und der Beteiligung von Belarus verhängt wurden. Das BIC wurde 2018 gegründet. 2021 sind belarussische Behörden gegen das Zentrum vorgegangen und zwangen es somit ins Exil. Das Online-Webportal arbeitet seitdem mit einem erfolgreichen YouTube-Kanal und produziert verschiedene Programme, die Nachrichten und Wirtschaftsanalysen produzieren und über die Entlarvung von Fake News in Russland und Belarus berichten. Das Zentrum berichtet in drei Sprachen: Belarussisch, Russisch und Englisch. Das Belarusian Investigative Center ist Mitglied des Global Investigative Journalism Network (GIJN) und des Organised Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Das BIC ist seit Beginn des russischen Krieges Russlands gegen die Ukraine auch wichtiger Partner für ukrainische Medien.
Nargiz Absalamova (Aserbaidschan)
Die Journalistin Nargiz Absalamova aus Aserbaidschan erhält den Free Media Award für ihre mutige Berichterstattung und Kurzdokumentationen für Abzas Media. Sie widmet sich dabei insbesondere den Themen Klima, Korruption und soziale Rechte. Sie gibt Menschen aus benachteiligten lokalen Gemeinschaften eine Stimme, auch Frauen und Jugendlichen, die Diskriminierung ausgesetzt sind. Ihre Videoberichte erreichen Millionen Zuschauer in sozialen Medien und wirken damit auf und in die Zivilgesellschaft. Ihr Equipment und ihre Kamera wurden von den Behörden beschlagnahmt; mehrfach wurde sie Opfer von Polizeigewalt. Am 1. Dezember 2023 wurde Nargiz Absalamova¸ damals 25 Jahre alt, verhaftet. Im Juni 2025 wurde sie zu acht Jahren Haft verurteilt, nachdem ihr schwerwiegende Delikte wie illegale unternehmerische Tätigkeit, Steuerhinterziehung und Geldwäsche vorgeworfen wurden. Insgesamt neun Journalistinnen wurden in den vergangenen Monaten in Aserbaidschan wegen angeblicher Finanzdelikte inhaftiert. Internationale Medienorganisationen kritisieren, dass diese Angriffe auf weibliche Journalistinnen der Versuch seien, ihre Arbeit und Sichtbarkeit einzuschränken.
Die Jury der Free Media Awards 2025
Alle Kandidat:innen und Redaktionen wurden von internationalen Institutionen und Organisationen, die in Ost- und Mitteleuropa tätig sind, oder von Expert:innen für diese Region nominiert. Die internationale Jury, die die diesjährigen Preisträger:innen ausgewählt hat, besteht aus: Alice Bota (Osteuropa-Korrespondentin der ZEIT), Juri Durkot (ukrainischer Journalist und Übersetzer), Attila Mong (Europa-Vertreter des Komitees zum Schutz von Journalisten in Berlin), Guri Norstrøm (Auslandskorrespondent des norwegischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks NRK), Martin Paulsen (Leiter der Abteilung für Fremdsprachen an der Universität Bergen), Inna Sangadzhieva (Direktorin für Europa und Zentralasien beim Norwegischen Helsinki-Komitee) und Silvia Stöber (Reporterin und Redakteurin bei der ARD Tagesschau).