Welche Themen interessieren Sie?

© ZEIT STIFTUNG BUCERIUS / Jonas Walzberg
Bildungsreformer Stefan Ruppaner zu Gast in Hamburg: „Es geht um die Kinder, die lernen“

Es lag Mut in der Luft. Und Motivation. So lässt sich jene Stimmung beschreiben, mit der Menschen an diesem Abend im Rahmen im Auditorium der Bucerius Law School zurückblieben. Dem vorangegangen waren zwei Stunden voll von Elan, Humor – und eben jener Motivation und Mut, um etwas zu verändern, genauer: das Konzept Schule. Im Rahmen der gemeinsamen Initiative „Grundschule voraus“ von uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und der Heraeus Bildungsstiftung war der Schulreformer und Buchautor Stefan Ruppaner zu den Stiftungstagen nach Hamburg gereist. An der staatlichen Alemannenschule, die unter Ruppaners Führung mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde, revolutionierte er das System der Einrichtung als solches, strich Unterrichtsstunden, Notenspiegel, Lehrpläne, klassische Lehrpositionen, riss Wände ein und baute das Gebäude als eine Art Lernoase um – mit Erfolg: Ruppaners Schüler:innen erzielten größtenteils Noten, die über dem Landesschnitt in Baden-Württemberg liegen. In Hamburg stellte Ruppaner nicht nur sein neuestes Buch vor, sondern diskutierte mit Grundschulleitungen und dem Publikum über „Unterricht als aller Übel Anfang“ und darüber, wie der Ausbruch aus Bildungssystemen gelingt – und welche Erfolgspotenziale darin für Kinder und Jugendliche liegen.

„Wir brauchen nicht mehr Geld für Bildung, wir müssen es besser einsetzen“

Über aller Systemrevolution stand für Ruppaner aber eines: die Kinder. „Mein Job ist es, dass Kinder jeden Tag gerne in die Schule kommen – denn dann kann ich nicht verhindern, dass sie etwas lernen“, überschrieb der seit einem Jahr pensionierte Schulleiter seinen einstündigen Vortrag. Darin berichtete Ruppaner von den simplen Anfängen seines Schulmodells, davon, wie er selbst lange als klassischer Pädagoge im „System“ Lehrer:innen ausbildete, ohne die Konzepte von Schule und Lehrberufen als solches zu hinterfragen. War dieser Schritt aber einmal getan, stellte sich Ruppaner den vielen Herausforderungen unseres bürokratischen Bildungssystems mit Mut: „Es ist richtig einfach, eine schöne Schule zu schaffen, wenn man die Vorgaben nicht beachtet“, erinnerte er sich. Damit dies gelingt, benötigt es für Ruppaner drei Grundbedingungen für Veränderung: die Räumlichkeiten, die zum Lernen verfügbaren Zeitfenster und die Expertise der Lehrkräfte. Dazu berichtete er aus der Praxis vom selbstständigen Lernen in Wutöschingen, von Fachkräften als „Lernbegleitungen“ statt „Lehrer:innen“, von Raumdesign mit „Lernateliers“ und Ruheräumen statt kühlen Klassenzimmern, von selbstbestimmten Zeitfenstern der Schüler:innen, von „Input“-Stunden statt Frontalunterricht. Kurzum ginge es um das Lernen zum Wohl des Kindes, nicht zum Wohle des Gesetzes, so Ruppaner. Die Gegebenheiten dafür sind ihm zufolge da: „Wir brauchen nicht mehr Geld für Bildung, wir müssen es besser einsetzen“, sagte Stefan Ruppaner. „Wir verschwenden Ressourcen“.

Zwischenbericht zur Studie  „Schulleitung voraus“ zeigt: Qualifizierungsprogramme stärken Lehrkräfte

Am meisten benötigt würden diese Ressourcen in der Grundschule, so der Schulreformer. Hier nickten die Köpfe in den gefüllten Reihen des Auditoriums, denn: Im Publikum waren viele aus dem Netzwerk der Initiative „Grundschule voraus – gemeinsam.gestalten.lernen“ zu Gast, die wir als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS gemeinsam mit der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und der Heraeus Bildungsstiftung umsetzen. Im Rahmen der Initiative schulen wir Lehrkräfte, die Schulleiter:innen werden wollen, und begleiten sie mit zusätzlicher Qualifizierung auf ihrem Weg.

Denn: Qualifizierungsprogramme stärken Führungsbereitschaft von Lehrkräften. Mehr als ein Viertel der Lehrkräfte in Deutschland kann sich vorstellen, künftig das Amt der Schulleitung zu übernehmen. Besonders ausgeprägt ist diese Bereitschaft bei Lehrkräften, die an Qualifizierungsprogrammen für Schulführung teilnehmen: Sie streben deutlich häufiger eine Leitungsrolle an, zeigen überdurchschnittliche Entwicklungs- und Verantwortungsbereitschaft und zeichnen sich durch hohe Motivation und Lernbereitschaft aus. Das und weitere Erkenntnisse sind erste Ergebnisse eines Zwischenberichts zur Studie Studie „Schulleitung voraus“ der Leuphana Universität Lüneburg im Rahmen der Initiative „Grundschule voraus“. Der Bericht basiert auf einer repräsentativen Forsa-Umfrage unter 932 Lehrkräften, darunter auch Teilnehmende unserer Initiative und kann HIER eingesehen werden.

Von Mut und Haltung – Praxiserfahrungen aus der Grundschule

Zwei unserer Absolventinnen gaben nach Stefan Ruppaners Vortrag an diesem Abend Einblicke in die Praxis: Wiebke Lüssenhop, Schulleiterin an der Grundschule Isestraße und Jessica Prehm, Schulleiterin an der Katharinenschule in der HafenCity. Sie berichteten von der Motivation, mit der Vorbilder wie Ruppaner und auch das gegenseitige Netzwerken in der Initiative anstecken, um „Schule gemeinsam neu zu denken“ – so übrigens auch der Titel der Abendveranstaltung. Auch Brigit Korn, Leiterin der Agentur für Schulberatung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, war Teil des Podiumsgesprächs. Es brauche neben Motivation eine gesunde Hartnäckigkeit und Mut, um kleinere und größere Veränderungen im System durchzusetzen, beschrieb Wiebke Lüssenhop – plädierte aber dafür, solchen „scheinbaren“ Grenzen entschlossen entgegenzutreten. „Die Haltung ist das Entscheidende“, fand auch Jessica Prehm. Tenor der Runde war, Schüler:innen viel mehr als Individuen zu betrachten – und als „Expert:innen ihres eigenen Lernens“, so Birgit Korn. Dann bliebe auch mehr Zeit für Fachkräfte, andere Herausforderungen in den Blick zu nehmen – das machten die anschließenden Fragen des Publikums ebenfalls deutlich: Es ging um konkrete Anwendungen wie Social-Media- und Handyverbote, um die Vereinbarkeit von neuen Schulmodellen mit der Migrationsgeschichten von Schüler:innen, um Inklusion, um Bedarfe nach Sprachförderung. Stefan Ruppaner sah den ersten Schritt bei den Praktiker:innen selbst: „Es braucht eine breite Bewegung von unten!"

Und was braucht es dafür? Richtig, Motivation. Und Mut.

Ergebnisse 111 von 237.
Jetzt Newsletter abonnieren!